Die Stuhlreihen des Kinos im Erdgeschoss des Kater Holzig sind an dem Freitag nachmittag im November nur spärlich besetzt. Und das obwohl zu einer Diskussion um ein Aufreger-Thema geladen ist: Clubbesitzer Ben de Biel (Club Maria und Sprecher der Piratenpartei), Steffen Hack (Watergate), Anja Gerlich (Schokoladen) und Stephen Stegmaier (Naherholung Sternchen) diskutieren mit Jens Balzer (Berliner Zeitung) über die Verantwortlichen des Untergangs der Berliner Clubkultur.
Innerhalb einer Stunde schildern die Teilnehmenden der Runde ihre Probleme mit Berliner Behörden und äußern ihre Wünsche für die Zukunft. Zuerst beschreibt Ben de Biel die Situation der Maria am Ostbahnhof. Sie seien „knapp daran vorbeigeschrappt nach Treptow oder Marzahn zu ziehen. Auf Facebook würde man sagen: Es ist kompliziert.“ Das Thema Verdrängung steht für ihn schon lange auf der Tagesordnung – Ben wirkt gelangweilt. „Ich bin nicht so horny drauf, unbedingt nach Schließung meines Clubs woanders einen neuen eröffnen zu müssen.“
Es folgt ein kleiner Lacher aus dem Publikum. Steffen Hack aka Stoffel, Betreiber des Watergate, begegnet der Situation ebenfalls mit Humor. Jemand hätte mal gesagt, man werde „durch häufiges Umziehen besonders kreativ.“ Sollen doch Politiker, die Stoffel liebevoll Selbsterhalter tituliert, öfter mal umziehen! Stoffel bezeichnet die Lage seines Clubs als halbstabil illegal. Damit meint er vor allem die unklare Positionierung des Berliner Senats. Wenn’s Probleme oder Anliegen gibt, tritt niemand als Ansprechpartner für Clubs auf, Verantwortung wird von A nach B geschoben.
Anja Gerlich vom Schokoladen hat diese Erfahrung auch gemacht. Schon seit 1993 war ihr Club mehrfach vom Eigentümer gekündigt worden. Bisher ohne Erfolg, dennoch bleibt eine stetige Unsicherheit. 2011 ist der Schokoladen immer noch da. Anja beklagt die Laissez-faire-Einstellung der Stadtpolitiker: „Alles wird dem freien Markt überlassen. Die Stadt fährt keinen klaren Kurs, verfolgt keine Linie.“ Ben De Biel und Steffen Hack sind hingegen anderer Meinung: Für sie ist es eine bewusste „Radikalpolitik“, die ausschließlich kapitalistische Strukturen fördert.
Derzeit sieht Anja die Situation vom Schokoladen recht gelassen. Auf die Lärmschutzbestimmung, die dem Schokoladen ab 22 Uhr Konzerte untersagt, reagiert sie konsequent: Konzerte um 6 Uhr morgens tun’s ja schließlich auch! Das ist natürlich eine Provokation – denn auf Dauer lässt sich so der Club nicht retten.
Vielleicht stehen sich die Clubbetreiber aber auch gegenseitig im Weg. Während Steffen Hack in eine Argumentation über weltweite Bewegungen gegen Verdrängung im Allgemeinen – von der „Occupy Bewegung“ an der Wall Street bis hin zu Tierschützer-Verbänden – abdriftet, hat Stephen Stegmaier (Naherholung Sternchen) scheinbar die kleinen Details im Blick. Er sieht den Eintrittspreis der all2gethernow als überhöht. 15€ seien definitiv hinderlich bei dem Versuch, ein großes Publikum für die Problematik der Berliner Clubs zu sensibilisieren. Nachdem Steffen Hack ihn daraufhin auffordert, doch einfach selbst eine Veranstaltung für lau zu machen, wenn er es sich leisten kann, geht die Diskussion dem Ende entgegen. Ein Ende, bei dem klar wird, dass die Clubbesitzer als Unternehmer auch Konkurrenten untereinander sind. Dabei haben alle eigentlich das gleiche Ziel: Die Erhaltung der kulturellen Vielfalt in der Berliner Clublandschaft. Von einem gemeinsamen Konzept war aber noch nicht die Rede – bisher.