Justice – Audio, Video, Disco

Paris, 2007, ein Video ist das Gesprächsthema aller Musikliebhaber, ein Lied bestimmt die Tanzstimmung vieler Parties. Nach Simians „Never Be Alone“ haben Gaspard Augé und Xavier de Rosnay mit „D.A.N.C.E.“ den großen Durchbruch geschafft und das Phänomen Justice in die Welt gesandt. Mit ihrem „Cross“-Album und Partyhymnen wie „DVNO“ sollten sie später stark zum Erfolg von Ed Banger Records beitragen und dem French Touch neuen Elan verschaffen. Immer wieder aufs neue haben sie überrascht, etwa 2008 mit „Stress“, in dessen Video sie die Aufstände in den Banlieues, den Pariser Vorstädten, thematisiert haben. Selten kam aus der Elektroszene eine derart intensive Stellungnahme in Bild und Ton.

So aber ist auch Justices Musik: unbequem, nervös, eigen. Man kann manche ihrer Tracks wegen den schrägen Computereffekte als anstrengend empfinden, für viele macht dieser Sound eher die Besonderheit des Duos aus. The Shoppings, eine Pariser Band, haben sogar in ihrem Song „Itinéraire“ den hohen Beliebtheitsgrad von Justice dargestellt. In dem Lied „darf“ der Sänger die Platten von Gaspard tragen und kommt somit an einer harten Clubtür vorbei.

Vier Jahre nach dem ersten Lebenszeichen ist es nun soweit, Justice greifen auf das Originalrezept zurück und veröffentlichen ihr zweites Studioalbum „Audio, Video, Disco“. Die erste Auskopplung ist „Civilization“, ein Track mit einer starken politischen Nachricht, analog zum damaligen „Stress“, mit dem die Hörer auf den bereits bekannten Justice-Klang vorbereitet wurden. Umso größer die Überraschung, auf dem restlichen Album eine Reise in den Wilden Westen zu entdecken: „Ohio, Tennesse, California endlessly“. Justice haben ihren rockigen, aggressiven Elektro-Indie mit Folk und Blues aufgelockert, musikalisch ein vollkommen unerwartetes, gelungenes Experiment.

Der Track „Newlands“ zum Beispiel ist eindeutig Rock’n’Roll, auch beim letzten Song „Helix“ kann man sich vorstellen, wie das Album in einem verrauchten Saloon entstanden ist. Der Titelsong „Audio, Video, Disco“ hingegen beeindruckt durch die Natürlichkeit, mit der tiefe Elektroklänge in leichte Flötenmelodien übergehen. Die Synthies begleiten eine recht hohe männliche Stimme, die immerfort drei Worte wiederholt. Dabei wirkt das Lied überhaupt nicht monoton. Im zweiten Teil kommen Klaviernoten dazu und ganz sachte klingt das Leitmotiv in einem Flüstern aus. Unruhiger geht es bei „Horesepower“ zu, dort findet man tiefe Streicherpassagen, die ernst und kriegerisch klingen.

Die Texte drehen sich unverändert um Musik, das Universum und die Ewigkeit, insbesondere beim unglaublichen „On’n’on“. Dieser Track ist der einzige mit etwas anspruchsvolleren Zeilen, die vertraute Stimme, die Klarinettenmelodie und die scharfen Computereffekte bringen den Hörer zum Schweben. Ein gutes Beispiel dafür, wie Justice ihren anfänglich sehr rockigen Ansatz weiterentwickelt haben. Insgesamt wird „Audio, Video, Disco“ die Fans ebenso wie die Skeptiker zufrieden stellen – einfach, weil es eine gute, gereifte Produktion ist.

Preview:

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Tracklist:

  1. Horsepower
  2. Civilization
  3. Ohio
  4. Canon (Primo)
  5. Canon
  6. On’n’on
  7. Brianvision
  8. Parade
  9. Newlands
  10. Helix
  11. Audio, Video, Disco

(Ed Banger Records)