Man kennt das ja: Da hat man so schöne Pläne für sein Leben, und dann kommt doch wieder irgendwas oder irgendwer dazwischen. In Shinji Imaokas aktuellem Film „Underwater Love – A Pink Musical“ trifft Asuka eines Tages einen Kappa, der behauptet, er wäre die Reinkarnation ihrer vor langer Zeit ertrunkenen Jugendliebe, und schon ist es um den Lebensentwurf geschehen. Die Hochzeitspläne mit dem Chef der Fischfabrik, in der sie arbeitet, geraten dadurch gehörig durcheinander. Doch dass Aoki als Kappa just in diesem Moment auftaucht, hat eigentlich ganz andere Gründe als bloß das Verhindern einer unerwünschten Liaison.
Dies klingt doch eigentlich – bis auf die Anwesenheit eines für die westlichen Kulturkreise eher unbekannten Fabelwesens – ziemlich gewöhnlich für einen Plot. „Underwater Love“ aber ist keineswegs gewöhnlich, sondern auf vielfältige Weise skurril. Denn hierbei handelt es sich nämlich um einen Pink Film. Diese Genrebezeichnung steht für Low-Budget-Filme, in denen Wert auf eine ungewöhnliche Darstellung von Sex und Erotik im Rahmen einer filmischen Erzählung gelegt wird. Ein positiver Nebeneffekt des geringen Budgets sind die aus der Unabhängigkeit resultierenden kreativen Freiheiten, die das Genre für die Geschichte des Films als Kunstform bedeutend werden ließen, auch wenn die große Zeit dieser Filme längst vorbei ist und sie selbst in Japan an kultureller Bedeutung verloren haben. Imaoka hat aber nicht bloß einen Pink Film gemacht, sondern ein Pink Musical – mit wirklich nahezu perfekt passender Musik von Stereo Total. Und wenn die Darsteller plötzlich in wilde Choreografien ausbrechen, erinnert das auf unterhaltsame Weise an Bollywood oder auch an Lars von Triers „Dancer In The Dark“. Ein weiteres die Skurrilität des Films steigerndes Moment sind natürlich die Charaktere aus der japanischen Mythologie. Zum einen ist da der als Kappa wiedergeborene Aoki, zum anderen tritt ein ständig rauchender Todesgott im Strickkleidchen auf, der ein bisschen wie ein bekiffter Reggae-Fan wirkt.
Wenn der Todesgott die Szene betritt und wenn zu den Klängen von Stereo Total synchrongetanzt wird, hat „Underwater Love“ seine unterhaltsamsten Momente. Allerdings gibt es immer wieder Abschnitte, in denen die Komik nicht hundertprozentig gewollt scheint. Gleichzeitig fragt man sich aber, ob das wirklich an der Produktion selbst liegt oder ob man dabei vielmehr an seinen westlich-kulturell geprägten Sehgewohnheiten scheitert. Oder liegt es tatsächlich an kulturellen Gegensätzen, dass der dargestellte Sex so sehr nach Arbeitsleistung und so wenig nach Spaß aussieht? Auch wirken die Charaktere in ihrem Tun fast immer sehr kindisch. Dem Kappa kann man es nachsehen, es ist sozusagen seine mythologische Bestimmung, Schabernack zu treiben. Bei den anderen wirkt es nach einer Weile aber ziemlich anstrengend. Was sich manchmal als ironische Überzeichnung offenbart, macht an anderer Stelle einen irgendwie außer Kontrolle geratenen Eindruck.
Natürlich darf bei aller Kritik nicht vergessen werden, dass es sich hier um eine Low-Budget-Produktion handelt, die unter „one-take-only“-Bedingungen gedreht wurde. Angesichts dieser Tatsache verdienen die Choreografien einige Anerkennung. Außerdem hat der Kameramann Christopher Doyle, der unter anderem schon oft für Wong Kar-Wai gearbeitet und für seine Leistung bereits einige Preise erhalten hat (u.a. für das bildgewaltige Werk Hero), dem Low-Budget-Eindruck trotz zurückhaltender Bilder entgegengewirkt. Und auch wenn die Szenen manchmal befremdlich wirken, merkt man dem Film die Begeisterung an, mit der die Beteiligten aus aller Welt an das Projekt herangegangen sind.
Underwater Love – A Pink Musical (OmU), Erotik, Fantasy, Musical / Japan/Deutschland 2011, 87 min., seit 27.10.2011 u.a. im Sputnik-Kino, Hasenheide 54, Berlin-Kreuzberg, U-Bahn: Südstern