Gui Boratto – III

Wir befinden uns mal wieder in dieser Jahreszeit, die keinem so wirklich gefällt. Kaum hat man den Sand aus seinen Schuhen gekippt oder wieder gelernt, indoor zu tanzen, wird es früher dunkel und irgendwie auch ernster. So sieht das auf jeden Fall Gui Boratto, der trotz brasilianischer Herkunft auf seinem Album „III“ keine Beach-Boy-Mood raushängen lässt.

Bei diesem Album geht es definitiv zurück auf die Schulbank, wie es der erste Track „Destination Education“ bereits ankündigt: Der Hörer taucht mit Boratto ab in ein Genre, das für den Künstler selbst gewissermaßen noch unentdeckt ist. Dabei klingt dieses Album viel dunkler als die vorherigen, was auch den vielen Bässen und der tiefen männlichen Stimme zu verdanken ist. Die Beats sind mal schwer und imposant, dann aber auch wieder leichter, fast schwebend, immer aber mit einer dunklen Komponente wie bei „Flying Practice“ und „Soledad“. „Steems from Hell“ ist vielleicht der repräsentativste Track des Albums: Man spürt förmlich den Abstieg in den Hades, als hätte Boratto seine Inspiration in einer Caverne gefunden. Sehr beeindruckend.

Man spürt, dass Boratto sich auf technische Ambitionen eingelassen und nicht nur mit dem Ziel potentieller Massenbegeisterung in Clubs gearbeitet hat. Leider hat das auch einen Nebeneffekt: manche Tracks sind ziemlich eintönig. Das synthetische Dauersummen in „Galuchat“ wirkt nach kurzer Zeit sehr monoton, was durch die 7-minütige Länge nicht gemildert wird. Diese Platte befindet sich eindeutig mehr im Techno- und im progressiven Bereich.

Da empfindet man eine Art des Erleichterung bei „The Third“: Ein unglaubliches Sonnenaufgangslied mit einem smoothen Beginn unter klassischen Klängen, auf den dann leichte Beats und ein bisschen Meeresrauschen folgen. Und dann kommt beim letzten Track „This Is Not The End“ mit Guis Ehefrau Luciana Villanova am Mikrofon ein finales Highlight. Ihr gesungener Hilferuf beschreibt den langen und schwierigen Weg der Liebe – im Vordergrund des Tracks stehen aber die röhrenden Computereffekte und E-Gitarren. Die Kollaboration mit seiner Frau spiegelt gewissermaßen das gesamte Album wieder, sowohl in der Präzision der Klänge, als auch im reiferen, vielleicht sogar nachdenklicheren Charakter.

Borattos dritte Platte klingt also mit diesem Duett aus, und wenn man bis dahin nicht eingeschlafen ist, hat man definitiv einen tiefen Blick in des Künstlers emotionale Welt geworfen – und schaut aufgewühlt wieder auf. Aber wenn das, wie der letzte Track andeutet, noch nicht das Ende ist: wie weit will uns Gui das nächste Mal führen?

Preview:

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Tracklist:

  1. Destination Education
  2. Flying Practice
  3. Galuchat
  4. Soledad
  5. Stems From Hell
  6. Striker
  7. Talking Truss
  8. The Drill
  9. The Third
  10. This is Not the End feat. Luciana Villanova
  11. Trap

(Kompakt)