Eine böse Überraschung erlebten diesen Sommer zahlreiche Clubs in Berlin – darunter auch das Berghain. Das Finanzamt kündigte an, dass es Geld zurückhaben möchte oder einbehält – rückwirkend für die vergangenen Jahre. Für einige Berliner Clubs könnte sich das auf Millionenbeträge aufsummieren.
Der Hintergrund: Wer in Deutschland Konzerte veranstaltet, muss weniger Umsatzsteuern von den Einnahmen an der Tür abgeben. Statt 19% will der Staat nur 7% vom Umsatz durch Eintrittsgeldern haben. Es ist eine der zahlreichen gut gemeinten Steuersubventionen des deutschen Staates, aber eine der wenigen, die bislang der Clubkultur zu Gute kamen. Zahlreiche Berliner Clubs haben in den letzten Jahren ihre Eintrittgelder mit 7% versteuert. Denn 2005 urteilten die Richter des Bundesfinanzhofs, dem obersten Finanzgericht in Deutschland: „Eine „Techno“-Veranstaltung kann ein Konzert … sein.“ Schließlich werden – so die Richter – in DJ-Sets Plattenteller, Mischpulte und CD-Player wie konventionelle „Instrumente“ gehandhabt und nicht einfach Musikstücke hintereinander abgespielt. Techno-Parties können deshalb steuerlich so behandelt werden wie Konzerte, die Veranstalter müssen weniger Steuer zahlen. So sehen es auch die Künstlersozialkasse und einige Finanzämter, bei denen DJs ihre Gagenrechnungen einreichen.
Doch ein Berliner Finanzamt sieht das nicht so. Es ist zuständig für ein Gebiet, in dem auch etablierte Clubs wie das Berghain, Cookies und Weekend stehen. Von einigen Clubs fordert das Finanzamt nun, die Kasseneinnahmen mit 19% statt 7% zu versteuern. Und zwar rückwirkend auf die letzten Jahre. Da können dementsprechend Millionenbeträge zusammenkommen. Das tut weh, sagen uns einige Betreiber. Für kleinere Clubs könnten die Nachforderungen des Finanzamts den Ruin bedeuten.
Die Berliner Finanzverwaltung will zu ihrem Vorgehen nichts sagen und entschuldigt sich mit dem “weitreichenden Steuergeheimnis”. Lutz Leichsenring von der Berliner Clubcommission, einem Zusammenschluß vieler Berliner Clubs, hat sich die Argumente erzählen lassen, mit denen das Finanzamt seine Forderungen bei den Clubs begründete. Mitarbeiter hätten bemerkt, dass viele Parties nicht offen plakatiert werden. Es würde enorme Gästelisten geben. Das Publikum sei nicht wie in einem klassischen Konzert “dem Künstler zugewandt”. Und sowieso: In die Clubs gehen die Leute nicht wegen DJs und der Musiker hinein, sondern um gesellig mit anderen Leuten alkoholische Getränke zu konsumieren. Das hätten Mitarbeiter des Finanzamts beim Ortstermin in den Clubs persönlich festgestellt.
Genaue Definitionen, was ein Konzert oder eine konzert-ähnliche Tanzveranstaltung von einer ordinären Flirtparty in einer Diskothek unterscheidet, finden sich nirgendwo. Darum kann sich ein Finanzamt dazu entschließen, die Steuerangelegenheiten für Clubs ab sofort anders als das Finanzamt im benachbarten Berliner Stadtbezirk zu handhaben. Ein betroffener Clubbetreiber in Berlin hat es nun satt und will deswegen notfalls bis zum höchsten gerichtlichen Insatz prozessieren. Die Clubcommission möchte die Beamten mit Merkblättern weiterbilden, die vermitteln, wie heutzutage Konzerte funktionieren – damit sie avancierte Klubnächte in Berliner Szeneclubs von Flatrate-Parties in Großraumdiskotheken unterscheiden können.
Doch zu diesen Gegenstrategien gibt es von Seiten der Clubbetreiber auch skeptische Stimmen. Wer genau definieren will, was ein Konzert oder ‚konzertähnlich‘ ist, der riskiert, dass die Festlegung auch nachteilig für ihn ausfallen könnte, gibt Stoffel, Betreiber des Watergate, zu bedenken. Und Ben de Biel, ehemals Betreiber der Maria am Ostbahnhof, findet Subventionen sowieso „kacke“: Am liebsten würde er die Steuervergünstigung für Konzerte ganz streichen – und einheitliche Steuern für alle Veranstaltungen festlegen.