DJ Shadow – The Less You Know, The Better

DJ Shadow, „The King of Diggin“, Sampling-Koryphäe und DJ-Wunderwaffe in Personalunion veröffentlicht im Herbst 2011 sein neuestes Album. Und die Musikwelt fragt sich, welche Kreise es diesmal ziehen wird. Es ist, das versteht sich fast von selbst, reich an Einflüssen – aber wird es auch einflussreich sein können? Denn Josh Davis a.k.a. DJ Shadow ist alles andere als ein unbeschriebenes Blatt. Mit „Endtroducing…..“ setzte er Mitte der Neunziger, als Dr. Dre und dessen G-Funk noch das HipHop-Business beherrschten, einen entscheidenden ästhetischen Gegenakzent.

Endtroducing…..“ war ein Album, das es in sich hatte und zwar im wahrsten Sinne des Wortes – bestand es doch aus 13 Tracks, die ihrerseits aus hunderten, vielleicht sogar tausenden Schnipseln anderer Musikstücke zusammengesetzt waren. Mit dem Album trieb DJ Shadow die Kunst des Samplings auf die Spitze und verschaffte der musikalischen Bricolage ihren vorläufigen Höhepunkt. Dies gelang ihm nicht nur auf Grund seiner technischen Fertigkeiten am Sampler selbst, sondern und vor allem wegen einer von ihm erstmals formulierten Sampling-Ethik, in der es nicht um’s Stibitzen, sondern um das Zitat geht, nicht um die Ausschlachtung des Alten, sondern um den Respekt vor den Vorgängern: Reverenz durch Referenz. Auch ist es diese spürbare Demut, die sich auch in den melancholischen Epik seiner frühen Tracks zeigt. Manche behaupten gar, dass DJ Shadow versucht hat, die Tiefe des Techno, die sich durch endlose Wiederholung eines Loops einstellt, in den HipHop hineinzubringen. DJ Shadow genießt seitdem den Ruf, der Inbegriff eines Jägers und Samplers zu sein, ständig auf der Suche nach der obskursten musikalischen Rarität und dem aberwitzigsten Sample. Dieser Ruf eilt ihm voraus und scheint ihm auch selbst nicht ganz geheuer zu sein.

Sein jüngstes Werk hat der auch sonst um Reflexivität bemühte DJ Shadow „The less you know, the better“ genannt. Je weniger Du weißt, desto besser. Je weniger Du über DJ Shadow weißt, desto besser das Album? Vielleicht soll das die Erwartungen dämpfen, die man an das neueste Werk von DJ Shadow automatisch heranträgt? Eine Aufforderung, seine „Die-alten-Sachen-fand-ich-eh-viel-besser“-Attitüde zu Hause lassen, das Ergebnis ohne Kontextwissen zu bewerten? Nun, vielleicht ist es nur Zufall, vermutlich aber nicht. Wenn ich das Album in einem Satz zusammenfassen müsste, so würde ich vermutlich antworten: DJ Shadow versucht sich daran, seine zentralen musikalischen Stränge, die sich aus Rock, HipHop und Funk geflochten haben, wieder zu entwirren. Also ein Best-Of? Ja, schon, aber ohne dass es nach einem Best-Of klingt, denn das wäre nicht sein Stil. Es ist mehr ein rekonstruierendes Back-to-Mine-Album, auf dem DJ Shadow in drei Akten nochmal alles ausformuliert, was sich an stilistischer Breite in den letzten Jahren bei ihm angesammelt hat.

Der erste Akt umfasst die ersten fünf Tracks und alleine diese fünf spannen schon gleich mal einen riesigen stilistischen Raum auf: Ein Intro zum Kopf nicken, Rock flavoured Beats auf der Zwei, die funky HipHop-Nummer featuring Talib Kweli auf der Drei, eine mitleidig-melancholische Gitarrenballade auf der Vier und ein ruhiges Piano zum Ausklang des ersten Aktes. Okay, straffes Programm für fünf Tracks. Kurz durchatmen, bevor sich der Vorhang zum zweiten Akt öffnet. Dieser entfaltet im Prinzip so eine ähnliche Dramaturgie, wobei DJ Shadow immer dann am besten ist, wenn er sich auf seine alte Stärke besinnt: nämlich einen verspulten, tiefgehenden TripHop, der sich durch die Zusammenschau der einzelnen Samples ergibt. Dies ist definitiv das Terrain, auf dem er sich am sichersten bewegt und am versiertestem arbeitet. Der dritte und finale Akt stellt genau dies noch einmal unter Beweis. Auch lässt DJ Shadow hier nochmal die Muskeln spielen wie zum Beispiel im grandiosen „I Gotta Rokk“, das er schon als Opener bei seinem Set im Astra spielte und das bereits damals durch seine Stereoeffekte, seinem wunderbar rockigen Groove und den herrlich reingrätschenden Gitarrenriffs zu überzeugen wusste.

Der Herr weiß schon, was er tut, nur hält er sich auf angenehm unaufdringliche Art und Weise selbst zurück. Man könnte dem Album Understatement bescheinigen, sicherlich auch Vielseitigkeit, niemals aber Beliebigkeit. Unter dem Strich ist es ein Album, das den TripHop rückwärts auflösen möchte, indem es seine spezifischen Einflüsse auseinander klaubt und einzeln neu ausformuliert. Es besitzt zwar nicht diese Durchschlagskraft, die man zum Beispiel auf „The Private Press“ erleben konnte, aber es wird auch sicher nicht so ein Flop wie „The Outsider“. Vielleicht ein Album, mit dem es DJ Shadow nicht – wie man so schön sagt – noch einmal wissen wollte? Nun, wer kann das schon so genau wissen. The less you know, the better.

Preview:

[podcast:]http://media.bln.fm/media/audio/previews/dj_shadow_the_less_you_know_the_better_preview.mp3[/podcast]

Tracklist:

  1. Back to Front (Circular Logic)
  2. Border Crossing
  3. Stay the Course feat. Posdnuos and Talib Kweli
  4. I’ve Been Trying
  5. Sad and Lonely
  6. Warning Call feat. Tom Vek
  7. Tedium
  8. Enemy Lines
  9. Going Nowhere
  10. Redeemed
  11. Run for Your Life
  12. Give Me Back the Nights
  13. I Gotta Rokk
  14. Scale It Back feat. Little Dragon
  15. Circular Logic (Front to Back)
  16. (Not So) Sad and Lonely

(Island Records)