Eine Hommage an die Grillwalker

So verplant, wie sie von sich selbst behaupten, sind die beiden Modeselektoren Gernot und Szary wohl gar nicht. Schließlich haben sie es geschafft, alle zwei Jahre ein Album rauszubringen, ob allein oder gemeinsam mit Apparat als Moderat. Jetzt ist 2011 und sie bleiben ihrem Rhythmus treu. Zum Interview im BLN.FM-Studio haben uns die beiden eine Ausgabe ihres neuen Albums „Monkeytown“ mitgebracht.

Ein freundliches „Tachchen“ und dann ging es auch schon los mit der Fragestunde. Die Ideen für manche Tracks sind schon ein Jahr alt. Aber Modeselektor sind nicht die schnellsten Produzenten, sagen sie selbst. Deadlines und Planungen sind ihnen fremd, der alltägliche Flow entscheidet, wenn was geschafft werden soll. Vor „Monkeytown“ ließ der Tatendrang allerdings auf sich warten: am Ende dauerten die Aufnahmen zum Album von Anfang bis Ende nur zehn Wochen, weil es dann doch irgendwann – im Herbst – erscheinen musste. Das hieß für Gernot und Szary: rein ins Studio und den Schlafentzug mit literweise Kaffee, Energydrinks und Zigaretten bekämpfen.

Dankbar sind sie für die produktive Dauerbelastung trotzdem. Sowas schafft man auch nur, wenn man sich gut versteht. – „Wir haben schon alle Höhen und Tiefen durch. Freundschaft ist dit schon gar nicht mehr, dass ist schon irgendwie familienmäßig, so brudermäßig“, sagt Gernot. Beim Interview redet er die meiste Zeit – und wenn er länger nicht gesprochen hat, fällt er gern seinem ruhigeren Kollegen Szary einfach ins Wort, der derweil noch nach der richtigen Formulierung sucht. Aber unter „Brüdern“ geht das. Die könnten sich auch anschreien, ohne dass der andere eingeschnappt ist.

Radiohead-Frontmann Thom Yorke ist seit Jahren Fan vom Berliner Produzentenduo: „Eine neue Modeselektor-Platte ist ein großes Ereignis für mich. Ob ich nun [auf der Platte] drauf bin oder nicht. Von Anfang an mochte ich es, dass sie sich als Profis nie toternst genommen haben – und das gab ihrer Musik bisher so viel Energie.“, zitiert der Pressetext Tom Yorke. Kein Wunder also, dass der Engländer auch beim Projekt „Monkeytown“ bei der Produktion mithalf, wie Gernot erklärt, und den Tracks „Shipwreck“ und „This“ seine Stimme lieh. Fast ein Dutzend Künstler wie der amerikanische Elektronik-Avantgardist Otto von Schirach,  Rapper Busdriver oder auch Modeselektor-Freunde Apparat und Siriusmo haben ihren Teil zum Album beigetragen. Und auch Miss Platnum ist dabei: Gernot hörte einen Song von der Balkan-Elektro-Diva im Radio und wußte sofort, das diese Stimme mit auf das Album muss.

Haben Modeselektor mit „Monkeytown“ nach „Hello, Mom“ und „Happy Birthday“ einen draufgesetzt? „Klar!“, sagt Szary. „Das dachten wir bei den Alben davor aber auch. Es ist eine Weiterentwicklung von dem, was wir denken, was wir fühlen, was wir machen.“ Für die Hörer gibt es eine frische Ladung tiefsitzender Bässe, dreckiger Effekte, funkiger Beats, und auch melancholischer Melodien.

So wie die zwei Musiker musikalisch nicht stehenbleiben, schauen sie auch auf ihre Stadt. Gernot erinnert sich gern an wilde Zeiten im WMF, dem E-Werk und dem „wahren“ Tresor in der Leipziger Strasse – dennoch plädiert er für Veränderung: „Ich trauere nix hinterher. (…) Ich finde, man sollte nicht an irgendwelchen Dingen festhalten, sondern gucken, dass man es anders macht und das es weitergeht. Das finde ich absolut essentiell.“

Modeselektor gehen 2012 wieder auf Welttour, aber nur, wenn genügend Zeit für Familie und Kinder bleibt. Das heißt, keine 130 Shows mehr pro Jahr wie früher, sondern mehr Urlaub und ein professionelles Management, das viel Arbeit abnimmt.

Das BLN.FM-Interview mit Modeselektor zum Nachhören:

https://soundcloud.com/bln-fm-special/20110928-special-modeselektor

(Foto oben/unten: Kevin Lake; Foto mitte: Ben de Biel)