Die Idee, mal was anderes zu machen als Musik, hatten sie schon seit langer Zeit. Dass sie sich aber deshalb gleich auflösen, kam dann doch überraschend. Kurz vor der Produktion ihres vierten und letzten Albums „Die Elite der Nächstenliebe“ (erscheint am 23. September auf Audioakt) haben Mediengruppe Telekommander (MTK) entschieden, dass es Zeit ist getrennte Wege zu gehen.
Florian Zwietnig und Gerald Mandl lernten sich auf einer Zugfahrt nach Berlin kennen. 2001 beschlossen sie zusammen Musik zu machen. Seitdem haben die beiden republikbekannten Rampensäue mit ihrem markant krächzenden Sprechgesang und Songs wie „Kommanda“ und „Bild dir deine Meinung“ als Mediengruppe Telekommander für Aufsehen gesorgt.
Das durchgeknallte Elektropunk-Image der Mediengruppe war nur die eine Seite des Projektes. Zum poppigen Sound kamen ironisch überspitzte Texte. Der resultierende Kontrast war dem Duo wichtig: keine zu offensichtliche, direkte Kritik, sondern die Selbstironisierung durch zackige 4/4-Drum und knallende Melodien. Das Publikum war begeistert, fühlten sich von der offenkundigen Sozialkritik verstanden. Manche nahmen die medienaktivistisch-revolutionäre Attitüde allerdings so ernst, dass sie extra drastische Videos zu den Tracks der Mediengruppe bastelten. Bei einigen Videos fehlt schon der ironische Abstand zum Inhalt der Songs, sagen Gerald und Florian.
Auch kritisches Gelaber und Gerüchte um die Band selbst bearbeitet die Mediengruppe durch die Lieder. In „Bild dir deine Meinung“ (aus dem Album „Näher am Menschen“, 2006) lassen sie das Gerede Revue passieren: sie seien die deutschen Beastie Boys, seien auf Tour dauerbreit und Backstage gäbe es wilde Orgien mit Groupies. Gerald sagt: Alles Zitate und Gerüchte aus Internetblogs, die wir im Songtext verarbeitet haben. Eine Art Sammelsurium an Missverständnissen und Nachgesagtem, auch wenn an manchem etwas dran ist, allerdings völlig übertrieben dargestellt: „Wir haben unglaublich viel gefeiert, weil es natürlich so ein unglaublicher Rausch ist am Anfang, der sich dann aber auch eben sehr schnell abnutzt“, sagt Florian. Doch der Rausch muss spätestens dann Pause machen, wenn neue Musik kommen soll – und die folgte.
Die 10 Jahre Banddasein beschreiben Florian und Gerald als einen Strudel an zeitfressenden Arbeitsabläufen: Songwriting, Produktion, Tour, Songwriting und so weiter: „Wenn man was so intensiv betreibt, (…) dann sind nicht mehr viele Freiheitsgrade vorhanden für was anderes.“ Nach der Auflösung der Mediengruppe werden sie die Zeit nutzen, sich getrennt voneinander eigenen Projekten zu widmen.
Auch das letzte Album der Mediengruppe Telekommander ist natürlich keine reine musikalische Tortenschlacht. Bei „Elite der Nächstenliebe“ dreht es sich um „Charity zum Zwecke der Selbstvermarktung“. Was meint die Mediengruppe bloß damit? Es geht um das „aufgesetzte Gutmenschentum“ von Prominenten, die sich nach humanitären Katastrophen ins Rampenlicht setzen und auf pompösen Galas öffentlichkeitswirksam Geldbeträge fließen lassen. Dabei profitieren die aufmerksamkeitsgeilen Reichen auch noch vom Leid der anderen, in dem sie die Anlässe dazu nutzen, Werbung für ihr eigenes Image zu machen.
Aber auch andere Themen werden angeschnitten: in „Billig“ geht’s mit den schnäppchengeilen Konsumenten ins Gericht: „Ich will das hier billig / Und das hier, nehm ich gleich mit / Denn ich kann nur noch billig / weil es nur noch billig gibt.“ Ist das Thema Konsumkritik denn nicht etwas ausgelutscht langsam? Die Mediengruppe verneint. Es geht nicht um eine generelle Konsumschelte, sondern die Tendenz zur aggressiveren Schnäppchenjagd, die sie ausmachen. Ideengeber war die absurde Erstürmung einer Media Markt-Eröffnung in Berlin.
Was sagen denn die Fans, dass ihr aufhört, Mediengruppe? – Selbst auf diese Frage können Florian und Gerald nicht wirklich ernst antworten: „Es sind tausend Tränen geflossen, wir wurden überrollt mit Tränen-Emails.“ Für immer muss auch die Trennung nicht sein, sagen auch Florian und Gerald. Vielleicht kämen sie mit 65 Jahren wieder, mit Sauerstoffzelt und Krücke!
Das BLN.FM-Interview zum Nachhören:
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