Wo es in einer Stadt billig ist, dorthin ziehen oft die armen Künstler und Kreativen. Sie mieten leerstehende Läden und Fabriken als Ateliers und Galerien. Bald ziehen Menschen nach, die gerne in einem solch kreativen Umfeld leben. Es entstehen Bars, Geschäfte und Clubs. Der Stadtteil wird zum In-Bezirk: Wer etwas auf sich hält, wohnt dort. Das freut auch die Vermieter, denn nun stehen die Leute Schlange bei einer Wohnungsbesichtigung. Die Mieten steigen so lange, bis sich die Kreativen und die alten Bewohner des Kiezes die astronomischen Preise nicht mehr leisten können.
Dieser Prozess ist als Gentrifizierung in aller Munde. Und er ist ein Hauptthema im Wahlkampf zur Abgeordnetenhaus-Wahl am 18. September. Wir haben sowohl die bisherigen Regierungsparten SPD und Linke als auch die Oppositionsparteien Grüne, FDP und Piraten nach ihren Konzepten zum Thema Wohnen und Leben in Berlin gefragt. Die CDU hat trotz einer ersten Anfrage vom 14. Juli erst am 29. August reagiert – leider zu spät für unseren Wahlcheck.
Die Grünen
Benedikt Lux, Kandidat in Steglitz-Zehlendorf und Sprecher der Grünen-Faktion im Abgeordnetenhaus für Innenpolitik, Demokratie und Datenschutz: „Klar, Berlin boomt, Berlin ist attraktiv, aber das sollte nicht zu Lasten der Menschen gehen, die schon seit Jahren im Kiez wohnen.“
SPD
Ellen Haußdörfer, Kandidatin in Treptow-Köpenick und stadtentwicklungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus: „Wir müssen besonders darauf achten, dass bei all dem Aufschwung und der auch wirtschaftlichen und städtebaulichen Entwicklung, die die Quartiere nehmen, es eben nicht zu diesen Verdrängungen kommt.“
FDP
Christoph Meyer, Kandidat in Charlottenburg-Wilmersdorf, Spitzenkandidat der FDP, Fraktionsvorsitzender und Sprecher für Haushalt und Finanzen der Fraktion im Abgeordnetenhaus: „Nach unserer Beobachtung ist das Aufwerten von Stadträumen durch privates Kapital zunächst einmal etwas Positives. Es zeigt, wie lebendig diese Stadt ist, es zeigt auch eine gesunde Entwicklung.“
Die Linke
Klaus Lederer, Kandidat in Pankow, Landesvorsitzender der Linken in Berlin und rechtspolitischer Sprecher der Fraktion im Abgeordnetenhaus: „Es ist ein eklatantes Versagen rot-roter Politik, dass wir es nicht geschafft haben, Ingeborg Junge-Reyer von dem Trip runter zu bekommen, dass in Berlin die Mietsituation noch ganz entspannt und ausreichend Wohnraum verfügbar sei.“
Piratenpartei
Martin Delius, Kandidat in Pankow: „Wenn es um Megaspree geht, sind wir knallhart: Die Stadt Berlin wird, wenn sich die Politik dazu entscheidet, (dem Willen der Bürger zu folgen,) Vertragsstrafen auf sich zukommen lassen müssen.“
Nächste Woche im zweiten Teil des BLN.FM-Wahlchecks: Welche Entwürfe haben die Parteien zur Entwicklung der Berliner Kunst- und Kulturzene?
Bericht: Tobias Sauer und Jens Baudisch