Little Dragon – Ritual Union

In den 90ern gab es mal eine prägnante Frauenstimme, die irgendwann auf jedem zweiten House-Track zu hören war. Sie sorgte stets für eine melancholische, aber selbstsichere Stimmung, die wunderbar zur Musik dieser sehr um demonstrative Coolness bemühten Dekade gepasst hat. Diese Stimme gehört Tracey Thorn, und alles, was sie damals intonierte, klang nach ihrer Band Everything But The Girl, selbst die Tracks von Massive Attack, die durch ihren Gastgesang zeitlos geworden sind. Thorns Stimme trug die Musik, egal, von wem sie kam.

Mit Little Dragon hat Tracey Thorn allerdings nichts zu tun. Dennoch lässt sich eine Parallele zur Band um die schwedisch-amerikanische Japanerin Yukimi Nagano entdecken: auch deren Stimme trägt das, was um sie herum arrangiert wird. So verwundert es kaum, dass auch Nagano beinahe inflationär als Vokalistin in Erscheinung tritt, sei es als prägende Mitarbeiterin auf dem „Plastic Beach“-Album der Gorillaz, als Dauergast der Elektrojazzer Koop oder als Stimme eines Tracks von SBTRKT. Christoffer Berg alias Hird hat Yukimi sogar den Titel seines bekanntesten Stücks „Keep You Kimi“ gewidmet. Und, ach ja, außerdem steht sie eben noch der Göteborger Band Little Dragon vor, deren dritter Longplayer „Ritual Union“ nun erschienen ist.

Nach dieser Einführung dürfte die Feststellung wenig überraschen, dass auch die Musik von Little Dragon von der Stimme ihrer Sängerin lebt – auf dem neuen Album mehr denn je. Die elf Tracks sind sehr reduziert instrumentiert, es dominieren in gemäßigtem Tempo tanzbare Rhythmuspatterns, Bassläufe aus dem Computer und sparsam arrangierte, manchmal hübsch ungewöhnliche Synthie-Effekte. In ihrer Lo-Fi-Ästhetik, die an keiner Stelle vorgibt, mehr als Klangprogrammierung zu sein, erinnert die Musik an „The Fall“, das letzte Album der Gorillaz (Zufall?), das bekanntlich im Tourbus auf einem dieser flachen Berührcomputer entstanden ist. Und über diesem skandinavisch zurückgenommenen und manchmal monotonen Musikbett schwebt, natürlich, Yukimis Stimme, mal verzerrt, mal vervielfacht, aber immer charakteristisch und cool.

Dieser Kontrast zwischen der tiefen Synthetik und der hohen, organischen Frauenstimme macht bei aller Gleichförmigkeit einen gewissen Reiz aus, der gerade so über die Albumlänge trägt. Vielleicht besteht hierhin auch die titelgebende „Ritual Union“, die zeremonielle Vereinigung von repetitiver Computermusik und schlafwandlerischem, selbstvergessenem Gesang. So oder so ist es erstaunlich catchy, die kleinen Melodien setzen sich fest, besonders die des Titeltracks, der auch am ehesten eine konventionelle Songstruktur aufweist. Insgesamt hinterlässt das auf die Substanz reduzierte Album einen schwer greifbaren, aber trotzdem bleibenden Eindruck – wie ein Soundtrack zu surrealen Traumsequenzen kurz vor dem Aufwachen. Irgendwo hat man diesen Gesang doch schon mal gehört. Oder ist es diese Stimme, die einem so bekannt vorkommt? Egal. Weiterträumen.

Preview:

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Tracklist:

  1. Ritual Union
  2. Little Man
  3. Brush the Heat
  4. Shuffle A Dream
  5. Please Turn
  6. Crystalfilm
  7. Precious
  8. Nightlight
  9. Summertearz
  10. When I Go Out
  11. Seconds

(Peacefrog / EMI)