Seit 20 Jahren dreht es sich bei Klangtüftler Markus Popp nur um das eine: Aus vermeintlich unbrauchbaren Störgeräuschen und bereits bestehenden Soundgebilden neue Musik zu basteln.
1991 hat das Projekt Oval begonnen. Zusammen mit Sebastian Oschatz und Frank Metzger malträtierte er CDs und Audiogeräte mit Stiften und Farbe so lange, bis die Musik im Player hin- und hersprang oder gleich hängen blieb. Diese Sounds wurden zum Markenzeichen der ersten Alben „Systemisch“ und „94 Diskont“, mit denen sich die drei in der internationalen Musikszene Gehör verschafften.
Die innovative Musikkunst führte Popp nach dem Erfolg der beiden Alben alleine weiter. An der Herangehensweise hat sich bis heute nichts geändert: er beobachte Klänge und organisiere sie neu zusammen, erklärt Popp. Es geht nicht um „intakte Musik“, wie er sie nennt, sondern um bisher noch nie da gewesene: „Ich versuch‘ was möglichst Interessantes zu machen, womit man sich eine ganze Weile beschäftigen kann.“
In den 1990ern hat es die Technik immer leichter gemacht, elektronische Tracks beispielsweise durch technische Störgeräusche zu verfremden, um etwas Neues zu entdecken. Daraus ist Ende der 90er Jahre eine Art neuer Arbeitsform für Musikmacher entstanden, das Spezialgenre Clicks and Cuts. Der zeitliche Ablauf und die strukturellen Bedingungen von Tracks wurden völlig ausgehebelt. Durch das Löschen, Verschieben, Loopen und neu Zusammensetzen einzelner Klangbausteine wurden nicht nur neue Klänge erzeugt, sondern durch die Nebengeräusche und die Überlagerungen verschiedener Datenspuren bekam die Musik eine ganz neue Dynamik.
Weil sich Oval, wie erwähnt, schon einige Jahre vorher mit dieser Technik beschäftigte, wird er oft als Wegbereiter der Musikgenres Clicks and Cuts und Glitch gesehen, wobei Letztgenanntes speziell auf digitale Nebengeräusche wie springende CDs fokussiert ist. Popp sieht es aber eher als Missverständnis an, dass er auch Vertreter dieser Methoden sein soll. Denn er feilt nicht an bereits fertigen Tracks herum, sondern macht eigentlich genau das Gegenteil: Anstatt fertiger Tracks sucht er sich fremde, unbrauchbare Geräusche, um neue Tracks daraus zu bauen.
Heute geht es bei ihm aber nicht mehr nur um softwarebasierte Frickeleien, sondern er nimmt auch mal ein einfaches Saiteninstrument zur Hand oder spielt deftige Schlagzeug-Pattern. Vielleicht erklärt das, warum er gerne Musik hört, die nichts mit seiner zu tun hat: „Metalbands in so Polohemden mag ich ganz gerne.“ Auch wenn Oval Musik in eine andere Richtung denkt, ein Anti-Musiker ist er trotzdem nicht, der mit normaler Musik überhaupt nichts anfangen kann. Björk gefällt’s, die sich 2001 auf ihrem Album „Vespertine“ von Ovals Musik inspirieren ließ.
Am Ende des BLN.FM-Interviews erzählte Markus Popp, was uns auf seiner kommenden Platte „OvalDNA“, die am 18. November 2011 erscheint, erwartet. Neben einer reinen Musikscheibe gibt’s eine DVD mit unzähligen kleinen Sounds aus Ovals Klangarchiv, die zwischen 1993 und 2010 entstanden sind. Diese bilden quasi die DNA der zweiten Scheibe des Doppelalbums.
Dass sich zeitgenössische elektronische Musik für manchen schräg und verkopft anhören mag, sei dem nicht an diese Musik gewöhnten Hörer verziehen. Darauf einlassen darf man sich trotzdem, denn ähnlich wie in der modernen Kunst muss man manchmal zweimal hinschauen um zu sehen, ob es tatsächlich langweilig ist oder es doch etwas Interessantes zu entdecken gibt.
Oval möchte mit seiner Musik Spaß und Emotionalität verbreiten, genauso wie das auch bei Techno funktioniert. Und wie es sich für einen rastlosen Künstler gehört, ist auch er mit den Endergebnissen manchmal unzufrieden. Zu seinen Konzerten würde er mittlerweile allerdings selber hingehen. Immerhin, nach 20 Jahren Schaffenszeit.
Das BLN.FM-Interview zum Nachhören:
[podcast:]http://media.bln.fm/media/audio/interviews/20110811_special_oval.mp3[/podcast]
Angespielte Tracks:
- Oval – Kreak (Oval/Liturgy Split; Thrill Jockey 2011)
- Oval – Store Check (94 Diskont; Mille Plateaux 1995, Thrill Jockey 1996)
- Oval – Do While (94 Diskont; Mille Plateaux 1995, Thrill Jockey 1996)
- Oval – Emocor (O; Thrill Jockey 2010)
- Oval – Hey (Oh; Thrill Jockey 2010)
- Oval – Ah! (O; Thrill Jockey 2010)
- Oval – Shop In Store (94 Diskont; Mille Plateaux 1995, Thrill Jockey 1996)
- Oval – Glass UFO (OvalDNA; 2011)
Foto: Konzertfoto (Rui Minderico)