Es ist Hochsommer. Glückliche Urlauber sitzen auf der Terrasse mit Blick auf das Meer, genießen die sanfte Brise und den Sonnenuntergang. Wer weniger Glück hat, darf zumindest von einem solchen Szenario träumen. Am besten mit einem Glas guten Wein und passender Musik dazu, zum Beispiel Sqaramouches zweitem Album „Tutu“.
Die beiden unter den Namen Sqaramouche vereinten Künstler Geer Mussert aka Subsequent und Me Raabenstein haben sich im Sommer 2010 nach Sizilien begeben, um genüssliche Sommerabende zu verbringen. Nebenbei produzierten sie in einem kleinen Studio den Nachfolger zum Debut „First Raw“. Und tatsächlich hört man dem Album die schwül-heiße, aber entspannte Atmosphäre eines Sommerabends im fernen Süden an. Dabei bleibt’s aber nicht, denn was anfänglich noch behaglich-chillig mit einem Tick arroganter Nonchalance daherkommt, entwickelt sich zu einer herausfordernden Auseinandersetzung mit dem oft trügerischen ersten Eindruck: Wie die jüngst gemachte Bekanntschaft mit einem Menschen, der sich sich beim ersten Kennenlernen von seiner angenehmsten Seite präsentiert, um dann Stück für Stück weniger zugängliche, vielleicht auch unangenehmere Facetten zu offenbaren.
So wird man im ersten Track „Traitarious Queue“ noch mit leicht jazzigen, gemütlichen Klängen empfangen, die einen an die samtige Musik Sades oder an die musikalische Untermalung eines Soft-Pornos erinnern: lasziv, etwas schwülstig, aber noch harmlos. Doch gleich mit dem zweiten Track entfernt sich das Album Stück für Stück von der anfänglichen Wärme, wird zunehmend vertrackter und kantiger: „Pzazz“ schließt zwar fast unbemerkt am ersten Track an, wartet dann jedoch mit unheimlichen Klängen und Stimmschnipseln auf, die wie das übrig gebliebene Echo eines Streits anmuten. Auch in den nächsten Stücken rückt die anfängliche Easy-Listening-Atmosphäre zunehmend in den Hintergrund, verschwindet jedoch nie gänzlich. So kommt „Aspen Bite“ mit kühlen Knister- und Knattergeräuschen daher, doch lauscht man genauer, hört man den warm-wohligen Klangteppich, der im Hintergrund die Soundschnipsel umhüllt und zum Ende des Tracks wieder die Oberhand gewinnt.
Warme behagliche Klänge treffen distanziert wirkende Soundschnipsel: Dieses Wechselspiel aus gemütlicher Leichtigkeit und verkopft-experimenteller Grübelei macht auch das Interessante an diesem Album aus. Und so ist es mit diesem Album wie mit der Bekanntschaft beim Kennenlernen: Zwei Seelen in einer Brust sind nun mal aufregender als nur eine. Das mag zwar manchmal etwas anstrengend sein, macht’s jedoch gerade interessant! Und Sqaramouche schaffen es ja auch immer wieder, von der ihnen eigenen Kopflastigkeit abzufallen und wieder zurück auf den Teppich der Behaglichkeit zu kommen. Sei es der dublastige Zwischenpart im großartigen „Homunculus“, der den anfangs rau und kantig klingenden Track mit einem Mal warm und rund erscheinen lässt. Oder die vom Kontrabass unterlegten kleinen Gitarren-Spielereien in „Holy Rasp“, die ihm eine leicht funkige Note verpassen. Und mit „Last Ditch“ bietet das Album einen nahezu idealen Abschluss. Das Verkopfte weicht hier einer träumerischen Trägheit, der Rhythmus löst sich in Wohlgefallen auf, übrig bleibt eine klangliche Intimität wie nach einem intensiven Gespräch. Auf ein solches folgt gerne mal gedankenschweres Schweigen, dieser Track passt hervorragend dazu und sorgt dafür, dass dieses Schweigen zur angenehmen Sorte gehört.
Zurück zum mediterranen Szenario auf der Sommerterrasse: Nein, für oberflächliche Small-Talk-Gespräche ist das Album wohl eher nicht geeignet. Wer aber eine musikalisch anregende Begleitung für tiefgehende Gespräche oder auch gedanklichen Schwelgens mit Blick auf den sommerlichen Sonnenuntergang sucht, ist hiermit wunderbar bedient. Den guten Wein sollte man hierbei auf keinen Fall vergessen.
Preview:
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Tracklist:
- traitarious queue
- pzazz
- aspen bite
- primogenitor
- homunculus
- bruise wane
- sullen sultriness
- holy rasp
- last ditch