Trauerarbeit statt Love Parade

Ein Jahr nach der Love Parade-Katastrophe in Duisburg existierte eine Fanseite auf Facebook. Sie kündigte eine Gedenkveranstaltung an – und sammelte Tausende Fans.  Einige davon nahmen an, dass es sich dabei um eine Wiederbelebung der Parade in Berlin handelt. Alles nicht so gemeint! – stellten die Initiatoren der Facebook-Seite in Statusmeldungen und Kommentaren klar. Sie wollten ursprünglich eine reine „Gedenkseite“ einrichten. Dumm nur, dass viele Menschen – vor allem jene, welche die deutschsprachigen Erklärungen nicht verstanden – einfach weitere Freunde einluden und das Gerücht verbreiteten, dass es wieder eine Parade auf der Straße des 17. Juni geben würde. So  verbreitete sich das Gerücht schnell, die Initiatoren der Seite kamen mit dem Beantworten von Anfragen nicht mehr hinterher. Sie zogen die Notbremse und löschten die Seite.

Dennoch gab es letztes Wochenende zwei Gedenkveranstaltungen an der Straße des 17. Junis in Berlin, eine sogar mit Dr. Motte, dem Gründer der Love Parade, der andere vom „Berlin Dance Riot“. Diese luden drei Tage vor dem Jahrestag zum Gedenken am den Kleinen Stern im Berliner Tiergarteen auf. Eine rein virtuelle Veranstaltung, wie sich herausstellte: neben 2 Einsatzfahrzeugen der Polizei, 7 Vertretern der Presse und den Veranstaltern selbst zählte die Veranstaltung zwei Besucher.

 

Die Organisatoren Martin und Ben Benson lassen sich trotz der spärlichen Besucherzahl nicht entmutigen. Der Zuspruch kam vor allem im Vorfeld: in Diskussionsforen und über Facebook wurden die Organisatoren in Vorhaben bestärkt. Fans und Betroffene haben Michas Meinung nach Bedarf an so einer Gedenkveranstaltung, die kein Ersatz für die Love Parade werden sollte. Die geringe Resonanz auf den Demo-Aufruf ist für ihn kein Widerspruch dazu – war halt ein bißchen kurzfristig die ganze Aktion! Für’s nächste Jahr wollen sie jedenfalls wieder eine Demo anmelden, wenn die Forderungen an die „Entscheider in diesem Land“ nicht erfüllt werden: lückenlose Aufklärung der Love Parade-Katastrophe, Rücktritte der dafür Verantwortlichen und Änderungen in den gesetzlichen Regelungen für Veranstalter.

 

Am Tag darauf, am Sonntag 24.7., also genau zum Jahrestag de Love Parade-Katastrophe, lud Gründer Dr. Motte zur Gedenkfeier. Schließlich wird er in guten wie in schlechten Tagen die Geister, die er rief wohl nie wieder los. Was einst als Familienfest im kleinen Kreis begann, dann immer weiter anwuchs, danach kommerziell genutzt und ausgenutzt wurde und schließlich in einer Katastrophe endete, die 21 Menschen das Leben kostete – Dr. Mottes Name wurde und wird in all diesen Phasen dennoch mit der Love Parade verbunden.

Dass Dr. Motte zum ersten Jahrestag der Duisburger Ereignisse verspürte, dass die Öffentlichkeit etwas von ihm erwartete, war klar. Er wollte diesmal keine großen Reden halten und suchte auch nicht die große Öffentlichkeit. Er und seine Frau Ellen luden deshalb lediglich Freunde und enge Bekannte ein, gemeinsam an der Siegessäule still zu gedenken. Presse sollte draußen bleiben. Auf alkoholische Getränke und Musik wurde verzichtet, stattdessen wurden Kerzen entzündet und ein Ordensbruder rief zum Gebet.

Danach befragten BLN.FM Dr. Motte zu seinen Gedanken ein Jahr nach Duisburg. Motte verfolgt die juristische Aufarbeitung der Love Parade-Katastrophe genau. Er hofft auf einen „Lerneffekt“ für zukünftige Veranstaltungen dieser Größenordnung. Eine „Ethik des Veranstaltens“ solle statt Größenwahn, Prestige und Kommerz Menschen und ihre Bedürfnisse  im Mittelpunkt stehen sollten. Das geht, sagt Motte und verweist auf die Anfänge der Loveparade unter seiner Organisation. Die Sicherheit der Teilnehmer hätte damals immer an oberster Stelle gestanden.

Bei Dr. Motte, Ellen und ihrer L.O.V.E.-Stiftung sowie ihrem Verein electrocult e.V. melden sich auch in diesen Monaten Menschen, die von der Loveparade-Katastrophe betroffen sind.  Diese werden an die richtigen Ansprechpartner in Politik und bei den Versicherungen weitergeleitet. Handlungsbedarf sieht Motte vor allem bei der Stadt Duisburg und dem Veranstalter Rainer Schaller: beide sollten mehr Hilfe anbieten.

Der Tag habe sich „eingebrannt“, sagt Motte. So lange die Katastrophe nicht restlos aufgeklärt sei, kann keine „Heilung“ einsetzen. Und so lange diese nicht stattgefunden hat, wird der 24.Juli ein Trauertag bleiben .