Processory – Change Is Gradual

Seit über zwanzig Jahren beschreitet Jori Hulkkonen als DJ, Produzent, Remixer und Dirigent eines Acid-Symphony-Orchesters ganz eigene Wege im elektronischen Metier. Durch intensive Tüftelei und Auseinandersetzung mit verschiedenen Genres von Techhouse und Detroit über Ambient und Chill Out bis hin zum Elektro-Pop entstehen seine gleichzeitig warmen und auch skandinavisch-kühlen Sounds. Aufgewachsen ist er im finnischen Hafenstädtchen Kemi; seine ländliche Herkunft beweist, dass innovative, technoide Klänge nicht ausschließlich den Metropolen dieser Welt vorbehalten sind.

Nostalgische und verträumte Popsongs beschert uns Hulkkonen gemeinsam mit seinem langjährigen Freund Jerry Valuri als Synthpop-Duo namens Processory.  Auf deren zweiten, ambitionierten Longplayer schlagen sie ruhige Töne an und bringen eine Retro-Komposition mit vertonter 1980er-Jahre-Melancholie ans Licht. Ein wenig Tristesse und Introversion strahlt dabei nicht nur das Albumcover aus, sondern die Bandbreite von sage und schreibe 18 Tracks. In drei Akte unterteilt wird jeweils eine dynamische Steigerung vermittelt. „Change is slow, change is gradual“ heißt es im 16. Track „Engage“, und in bedächtigen Schritten entfaltet sich auch über 80 Minuten hinweg das Hörerlebnis des Albums. Die anfängliche Zurückhaltung legt sich allmählich zum Ende der Platte, wo sich offensivere Songs finden wie Track Nr. 14, „Hours Too Late, Years Too Soon“.

Unverkennbar dominieren auf „Change is Gradual“ die mitunter sehr scheuen und sanftmütigen Vocals Hulkkonens. Processory schreiben Songs der letzten Stunde – entspannter Minimalismus, der sich bestens als Ausklang von La Boum eignet, einer ausgelassenen Teenager-Fete, auf der sich Pärchen eng umschlungen ihrem letzten Tanz hingeben. Alternativ lassen sich die größtenteils gemächlichen Klänge mit ästhetischen Bildern eines David-Lynch-Films kombinieren. Pitchfork Media hingegen bemisst dieses neuromantische Popalbum als sehr vertraut in Anlehnung an Tears For Fears oder Spandau Ballet und als adäquaten Ersatz für die musikalische Untermalung des High-School-Klassikers The Breakfast Club.

Bei dieser sehnsuchtsvollen Rückschau in die Ära von Schulterpolster, Dark Wave und Vokuhila darf natürlich ein repräsentatives Instrument nicht fehlen: schmachtende Töne im Legato eines Saxophons, die in der Single „Take Me To Your Leader“ auftauchen. Futuristische Züge zeichnen sich auf der anderen Seite im Track „Kurzweil“ ab, dieser erinnert mit seinem pointierten, eintönigen Motiv an „Odessa“ von Caribou. Schlussendlich bieten Jori & Jerry mit ihrer Musik viel Spielraum, um das Tempo anzuziehen und tanzbare Remixes anzufertigen. Hercules and Love Affair, Aeroplane und CFCF widmeten sich bereits dieser Aufgabe.

Preview:

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Tracklist:

  1. Young Italians
  2. Trickle Down
  3. All Good Things
  4. Nightfall
  5. The Books I Never Read
  6. Human Unfortunately
  7. Between 0 And 1
  8. Take Me To Your Leader
  9. Recovery Measures
  10. Farewell Welfare
  11. Non-Aggression Principle
  12. All Things Nuclear
  13. Contemporary Nihilist
  14. Hours Too Late, Years Too Soon
  15. Kurzweil
  16. Engage
  17. In The Unlikely Event Of An All Life Erasing Gamma-Ray Burst, This Is The Soundtrack
  18. Adaption For Survival

(Sugarcane Recordings)