BLNRB – Welcome To The Madhouse

Was sich hinter der kryptischen Bezeichnung BLNRB verbirgt, ist wohl nur Freunden des Knobelns auf Anhieb klar. Für alle anderen gibt’s eine Denkhilfe auf dem Cover und für Spätzünder die Erleuchtung beim Hören der Compilation – und zwar gleich am Anfang. Verschiedene Sprecher geben in einem herrlich überzogenen Frage-Antwort-Spiel die Auflösung bekannt: „Ehm, sorry, heißt das NRBLN? Nein – nein – nein, es heißt BLNRB! Berlin – Nairobi!“ Eine charmantere Abhilfe zum Verständnis des sperrigen Projektnamens hätte es nicht geben können.

Worum geht’s eigentlich? Bekanntermaßen zieht es die Gebrüder Teichmann gerne mal in wenig bekannte Gefilde wie Indien oder Afghanistan, um sich mit dortigen Künstlern musikalisch zu betätigen. 2009 stand Kenia auf dem Reisezettel – und nach erster Kontaktaufnahme vor Ort, zusammen mit Jahcoozi, fuhr man im Frühjahr 2010 wieder nach Nairobi. Diesmal saßen auch Modeselektor mit im Flugzeug.

Die simple Idee dahinter: Berliner Künstler der elektronischen Szene treffen auf musikalische Talente Kenias, denen Freestyle am Mikro und Rhythmusgefühl wohl in die Wiege gelegt worden sind, wie sich später herausstellte. „An der Idee gefiel mir sofort, dass eigentlich gemeinsame musikalische Bezugspunkte fehlten. Die kenianischen Künstler sind musikalisch von Dancehall, Reggae, Benge oder HipHop geprägt“, sagt Andi Teichmann dazu. In Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Kenia mietete sich die Gruppe ein Haus in Nairobi und funktionierte es mit der eigens mitgebrachten Technik in ein temporäres Studio um.

Schnell sprach sich herum, was in diesem Haus vor sich ging. Was folgte, war ein ständiges Kommen und Gehen an Künstlern und Neugierigen. Manche von ihnen schliefen gleich da, aber oftmals eher aus dem Grund, weil sie kein eigenes Zuhause hatten. Und wie war das Zusammenleben? Klischees und Vorurteile gegenüber der anderen Kultur gab es von beiden Seiten, sagt Teichmann: „Wir waren begeistert von den grandiosen Stimmen und der Direktheit der kenianischen Musiker, sie waren wohl etwas irritiert von unserer Detailversessenheit und bisweilen von unserer Unlockerheit.“

Das Haus immer voll mit Leuten, produzieren wie am Fließband und wenig Schlaf. Manchmal war das etwas viel und die deutsche Gruppe hätte sich gerne mal zurückgezogen, gibt Andi zu. Das Projektstudio, wo mal ein verruchter Club drin war, wurde alsbald „Madhouse“ getauft. Knapp einen Monat lang wurde dort gearbeitet, gejammt und gekifft (hier der ausführliche Reisebericht von Andi Teichmann).

Noch im Winter 2010 lud man die Kenianer nach Berlin ein und es wurde die erste EP von BLNRB bei der Eröffnung des Worldtronics Festivals vorgestellt. Jetzt folgte die Veröffentlichung einer ganzen Compilation zum Projekt: An „BLNRB – Welcome to the Madhouse“ wirken mehr als 20 Künstler mit. Beim Münchner Label Outhere Records, welches schon seit 10 Jahren afrikanische Clubsounds nach Deutschland holt, ist die Platte am 8. Juli erschienen.

Gleich im zweiten Track wird ins „Madhouse“ geladen. Die kenianische Rap-Königin Nazizi, Frontfrau Sasha Perera des Berliner Trios Jahcoozi und der männliche MC-Kollege Abbas Kubaff zeigen, wie sich eine musikalische Kreuzung der Städte Nairobi und Berlin anfühlt – Elektronik, fest im Sattel mit Dancehall, Reggae und HipHop. Viele äußerst individuell klingende Rapper sind zu hören, die Beats sind tief, kräftig und tanzbar. Jeder Track hat seinen eigenen Soundteppich, durchsetzt mit frischen Effekten, Trommelsoli und anderen Instrumenten. Viele verschiedene Geschichten werden mit den gemeinsam entwickelten Sounds erzählt. Besonders düster und eindringlich ist „Msoto Millions“ – eine hallende, dunkle Atmosphäre macht sich breit, einige Künstler des Hip Hop-Kollektivs Ukoo Flani interpretieren ihren Text mit afrikanischen, leidenschaftlichen Feinsinn über die sich tief in den Körper bohrende Basslinie.

(Jahcoozi, Ukoo Flani – Msoto Millions)

Bei „Room For Me“ der Elektropop-Band Just a Band und Jahcoozi wird es rockig, mit reichlich Gitarrenriffs und Schlagzeug. An anderer Stelle kommt unser im Vergleich eher nicht vorhandenes Talent zum Rappen zum Tragen. So wie wir nie wie Brasilianer Fussball spielen werden, sind uns die Kenianer im Rappen einige Zeitalter voraus. Bei „Take It Higher“ wird deutlich, was schon kleine Knirpse aus Nairobi am Mikro drauf haben. Unglaublich eigentlich! Aber es gibt auch ruhige Momente wie „Away“ in der Sammlung  – durch den entspannten Offbeat zupft der blinde Gitarrist Michel Ongaru Akkorde auf seiner Gitarre, flüsternd singt er dazu.

In Anbetracht der kurzen und intensiven Projektphase in einer völlig ungewohnten Umgebung kann man zum Experiment BLNRB nur sagen: Daumen hoch! Heraus gekommen ist zwar kein neuartiger Clubsound, aber die vielen, unterschiedlichen Rapper, die Texte und Tracks, die allesamt für sich allein stehen können, lassen erahnen, was neben den THC-Wolken für eine kreative Energie durch die Räume des Madhouse gewabert sein muss.

Preview:

[podcast:]http://media.bln.fm/media/audio/previews/BLNRB_welcome_to_the_madhouse_preview.mp3[/podcast]

Tracklist:

  1. Goldbreaks Variation (Abbas, Kimya, LJ, Teichmann)
  2. Madhouse (Nazizi, Jahcoozi, Abbas)
  3. Dirty Laundry (Teichmann, Abbas, Kimya, LJ)
  4. Msoto Millions (Jahcoozi, Ukoo Flani)
  5. Very Necessary (Necessary Noize, Teichmann)
  6. Room For Me (Just a Band, Jahcoozi)
  7. Ma Bhoom Bhoom Bhoom (Jahcoozi, Ukoo Flani, Radi)
  8. Everyday Without You (Teichmann, Alai K)
  9. Living Room (Teichmann, Ukoo Flani, Dogs)
  10. Monkeyflip (Modeselektor, Nazizi, Abbas)
  11. Goldbreaks (Teichmann, Kimya, LJ, Abbas)
  12. Take It Higher (Jahcoozi, Little King, Robo)
  13. Kumbuka (Jahcoozi, Michel Ongaro, Abbas)
  14. Richie Interlude (Teichmann, Ukoo Flani)
  15. Kibera Benga (Massai Mbilli, Modeselektor, Just a Band)
  16. Away (Just a Band, Jahcoozi, Teichmann, Michel Ongaro)
  17. Zamaney (Jahcoozi, Ukoo Flani)
  18. Whateverman Dub (Teichmann, Ukoo Flani)

(Outhere Records)