Tiger & Woods – Through The Green

2009 und 2010 erschienen drei geheimnisvolle EPs auf Editainment, einem ebenso mysteriösen Vinyl Only-Label. Die Platten trugen als Logo lediglich einen gestempelten Leopardenkopf, auf die weissen Plattencover waren gerade mal die Titel aufgestempelt.

Die drei ersten Tiger & Woods-Scheiben wurden  schnell zu gesuchten Raritäten. Nun erscheinen die besten Stücke zusammen mit einigen neuen Tracks auch auf CD bei dem deutschen Label Running Back, das bereits schon gute NuFunk-EPs von Todd Terje und Tensnake ins Rennen geschickt hat.

Tiger & Woods machen allerdings nach wie vor um ihre Identität ein grosses Geheimnis, meine Interviewfragen für die Motherfunk-Sendung vom Juni beantworteten sie per Apple Speech. Sie begründen ihr Versteckspiel unter anderem damit, dass in der grossen Zeit der 80er Boogie-Ära einfach viele Stücke und Künstler geheim und unbekannt und dadurch auch spannend und faszinierend waren, während in unseren heutigen Internet-Zeiten praktisch jede Information über jeden Künstler sofort gegoogled werden kann. Und Faszination basiert zuallererst auf spärlichen spannenden Infos und nicht auf umfassenden Wissen über hinlänglich geklärte Sachverhalte. Das wissen nicht nur Verschwörungstheoretiker.

Tiger & Woods bilden die kreative Speerspitze einer Edit-Bewegung, die sich vor allem auf Soundcloud alter Disco-und-Funk-Perlen annimmt. Die meisten Edits arrangieren bekannte und unbekannte Stücke auf aktuelle Hörgewohnheiten um, fügen DJ-freundliche Parts zum Rein-und-rausmischen dazu oder norden einen funky herumschlingernden Groove so ein, dass der Sync-Button in Traktor damit klarkommt. Ansonsten bleibt das Original zumeist weitgehend unangetastet. Tiger & Woods gehen einen wichtigen Schritt weiter, dekonstruieren die Originale komplett und bauen ein neues Stück um einen oft eher beiläufgen Teil auf. Exemplarisch dazu ihre neue Single „Kissmetellme“, die sich bei Clarity’s „The Way U Make Me Feel“ bedient, aber die Hooklines des Originals ignoriert und das Stück auf einem eher unscheinbaren Chorgesang aufbaut. T&W sagen dazu selbst: „Wir fokussieren unsere Stücke auf ein kleines Detail eines Boogietracks, das wir besonders lieben und extrahieren die Essenz dessen, was uns im Kopf hängengeblieben ist.“

Und dann klingt “that’s what keeps me turning“ im Kopf von kleinen Südeuropäern eben auch wie „Kiss me tell me“ und wird durchgelooped. Und weil Tiger & Wood-Tracks so unverschämt eingängig monoton daherkommen, bedienen sie auch die Hörgewohnheiten eines House-Publikums, dass bei zu vielen komplizierten Breaks schnell mal aus dem Schritt gerät und Gesang am liebsten in zerschnipselter Form dargereicht bekommt. Boogie-Tracks der 80er sind eben schon oft kitschig und kompliziert. Mal Hand aufs Herz: es sind letztlich die kleinen Lieblingsmomente dieser Stücke, die ohrwurmartig Schleifen durch unser Hirn drehen.

T & W loopen diese Lieblingsmomente, dicken sie an und setzen sie in einen komplett neuen Zusammenhang. Heraus kommen wahre Discofunk-Granaten, die sich auch als strahlender Sommersoundtrack aus aufgemotzen Cabrios wie runtergerockten Baggersee-Kofferradios hervorragend eignen. Aber halt, auf 3 neuen Stücken wird schon „richtig“ gesungen, und zwar von ‚EM, einer Sängerin über deren Identität T&W ebenfalls den Schleier des Unbekannten legen. „Speed Of Light“, „Curb My Heart“ und „Don’t Hesitate“ sind dann auch richtige Highlights des Albums geworden und deuten den Weg an, den T & W in der Zukunft eventuell beschreiten könnten. Grösster Hit ist und bleibt aber „Gin Nation“ mit seinem verspielt verspulten Sample von Imagination’s eternal „Music & Lights“bassline, dass schon 2009/ 2010 auf der „Caddy Shag-„EP vertreten war.

Die ganze LP ist ein Highlight in meinen NuFunk-Sets, selbst mit den recht kurzen Interludes kann man sie dank Traktor-Loop-Funktion prima herumspielen. Und für manch jungen Ableton-Novizen könnte „Through The Green“ vielleicht sogar eine Initialzündung sein, so wie es Daft Punk’s „Homework“-Album für viele House-Produzenten in den 90ern war. Hoffen wir, dass Tiger & Woods von allzu argen Copyright-Klagen verschont bleiben. Aber der Boogie-Sommer 2011 ist mit „Through The Green“ definitiv eröffnet.

Übrigens: kaum war der Album-Deal mit Running Back in warmen Tüchern, tauchten auf Editainment weitere sehr geheimnisvolle Acts wie Cleo & Patra oder Pop & Eye mit tollen Tracks im T&W-Stil auf. Tiger & Woods bestreiten jedoch vehement, dass sie dahinterstecken.

Preview:

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Tracklist:

  1. Dr. Burner
  2. Don’t Hesitate
  3. Time
  4. Love in Cambodgia
  5. Curb Your Heart
  6. El Dickital
  7. Deflowered
  8. Kissmetellme
  9. Gin Nation
  10. Speed of Light

(Running Back Records)