Ob die Künstler von Oliver Koletzkis Label „Stil vor Talent“ wirklich immer mehr Stil als Talent besitzen, sei dahin gestellt. Fakt ist aber – Talent hin oder her – dass Niko Schwinds Stil wirklich unverkennbar ist. Der 31-jährige Trierer zählt auch keineswegs zu den Frischlingen unter den Musikmachern, sondern ist schon seit seiner frühen Jugend am Plattenauflegen und produziert seit 2004 auch selbst. Mit seinem 2009 bei Autist.Records veröffentlichten Debüt-Album „The Autistic Disco“ rutschten seine Tracks nicht nur in Sets anderer DJs hinein, sondern ermöglichten ihm sogar weltweite Auftritte. Am 20. Juni erschien nun offiziell das lang erwartete zweite Album „Good Morning Midnight“ mit zehn neuen Niko-typischen Tracks, welche von Koletzki & Co. schon jetzt weit über den grünen Klee gelobt werden. Was beim Durchhören durchaus verwundert.
Es entbehrt der Logik sicherlich nicht, dass die neue Platte wohl kaum veröffentlicht worden wäre, wenn sie nicht vom Label für gut befunden worden wäre. Dass dies allein so sein muss, lässt sich bei der Betrachtung der Trackliste schon feststellen: vier von zehn Tracks sind gefeatured von Label-Angehörigen! Gleich der erste Albumtrack wurde mit Fran, Oliver Koletzkis Freundin aufgenommen; „Master of Ceremony“ sogar mit dem Labelvater selbst und die Tracks „Back From The Bar“ und „Don’t Turn The Lights On“ wurden zusammen mit Channel X produziert. Bei zwei weiteren Tracks gab es ebenfalls Unterstützung: „Wake Up“ wurde von Staller und „Coming Home“ von Patrick Blasa gefeatured.
Bleiben also sage und schreibe vier Tracks, die von Niko Schwind im völligen Alleingang gemacht wurden, was aber aufgrund eines gewissen label-internen Gleichklangs keinen allzu großen Unterschied beim Hören machen dürfte. Hinzu kommt, dass die Songs scheinbar ewig brauchen, bis sie in Gang kommen – und es dann irgendwie doch nicht wirklich schaffen. Kommt da jetzt noch was? Diese Frage stellt sich nahezu durchweg: Sobald es interessant wird, flacht es auch schon wieder ab oder beginnt zu nerven. Zu viele Wiederholungen bestimmter Sektionen, zu viele Vocals. Ob Stimmengewirr oder merkwürdige, düstere Wortfetzen, sie unterbrechen den Flow, den man eigentlich gerade erst gefunden hatte. Irgendwie klingt es oft mehr gewollt als gekonnt, mehr nach systematisch konzipiertem Getüftel, nach Kopfkompositionen.
Unschwer erkennbar ist dies auch an den Tracktiteln. Mit dem Album sollte wohl versucht werden, nicht nur den Tagesablauf eines Nachtschwärmers musikalisch nachzustellen, sondern am Besten auch gleich direkt den Soundtrack dessen Lebens zu werden. Nun, ein jeder Feierwütiger kennt nur zu gut die Vorfreude auf den Abend, auf die Musik, das Tanzen, die Freunde. Allerdings kommt diese Lust auf so einem Abend nicht unbedingt mit dem Hören des vorliegenden Albums auf.
Und trotzdem erwischt man sich Stunden nach dem Durchhören doch beim Summen der einen oder anderen Textzeile oder beim Nicken zum darin verankerten Beat. Irgendetwas hat die Musik doch hinterlassen, und sei es nur ein Ohrwurm. Zugegeben, dass muss nichts heißen. Britney Spears hat dies schließlich auch schon geschafft und vielleicht ist die Scheibe nur nichts für zuhause, sondern eher für Livesets. Der eine oder andere Track wie „Playground“ wäre untergemischt gar nicht einmal verkehrt. Zu „Good Night“ ließe es sich in jedem Falle auch tanzen und vielleicht sogar ein „Oh“ oder „Ah“ erhaschen, wenn die Streicher einsetzen.
Dennoch bestünde auch hier die Gefahr, dass man selbst im Club zwiegespalten bliebe in seiner Bewertung. Ja, Niko Schwind hat einen Stil. Und ja, er hat auch Talent. Bleibt jetzt noch die Frage, wessen Geschmack das am Ende ist.
Preview:
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Tracklist:
- Good Morning (feat. Fran)
- Shine
- Playground Love
- People
- Good Night
- Back From The Bar (feat. Channel X)
- Don’t Turn The Lights On (feat. Channel X)
- Wake Up (feat. Staller)
- Master of Ceremony (feat. Oliver Koletzki)
- Coming Home (feat. Patrick Blasa)