SebastiAn – Total

Dass SebastiAn Akchoté bisher kein Album herausgebracht hat, ist ein verwunderlicher Makel in seiner sonst einwandfreien Künstlervita. Der als Kreativgenie Gepriesene besann sich eher aufs Remixen oder brachte in regelmäßigen Abständen die ein oder andere EP heraus. Deren erste ist vor über sechs Jahren bei Pedro Winters (a.k.a. Busy P) Label Ed Banger Records erscheinen; Akchoté war damals ein unbekannter Künstler. Doch bereits ein Jahr später katapultierte er sich mit seiner zweiten EP „Ross Ross Ross“ ins Rampenlicht der französischen Elektrowelle und läutete den kometenhaften Aufstieg des Labels ein, der 2007 mit der Veröffentlichung des Albums „†“ von Justice kulminierte.

Nun also soll die Lücke in Aktochés Diskographie geschlossen werden, denn SebastiAn bringt seinen ersten Longplayer heraus: „Total“ heisst die neue Platte, und der Name klingt wahrlich nicht nach einem Understatement. Auch ein erster Blick auf die Tracklist mit 22 Titeln lässt den großen Wurf vermuten – doch bei genauerer Prüfung kann man das quantitative Ausmaß schnell relativieren.

Zunächst sind vier Tracks alte Werke, die nur minimal verändert wurden. So kann man bei „Doggg“, prägnant erkennbar an seinem Metal-Breakdown im Mittelteil, außer einem „g“ mehr im Titel wenig Unterschied zum Original ausmachen. Auch „Motor“ dürfte Fans bereits aus dem Jahr 2008 bekannt sein und bietet, ähnlich wie „Doggg“, die brutale Härte aus den guten alten Tagen des Labels, aber keine nennenswerten Innovationen. Dass Akchoté zudem seinen Klassiker „Ross Ross Ross“ für sein Debütalbum recyclet, wirkt wie eine dürftige Reminiszenz an vergangene Glorientage. Und dass man dann außerdem noch den alten Remix von Sneaky Sound Systems „UFO“ auferstehen lässt und in „Kindercut“ umbenennt, lässt fast nur einen einzigen logischen Schluss zu:  Ideenlosigkeit.

Zweitens haben sechs Tracks eine Spieldauer von unter einer Minute und erscheinen somit eher als Füllmaterial. Zwar bieten einige dieser Interludes (wie „Mean Games“, „Night“ oder „Bird Games“) interessantere Ansätze als die meisten Songs auf dem Album, wirken aber im Gesamtbild wie wahllos dazwischen geschoben und sind durch ihre Kürze eher frustrierende Teaser für ein besseres SebastiAn-Album, das es vielleicht nie geben wird. So kommt es auch, dass manche der Zwischenspiele völlig deplatziert und irritierend wirken. Das beste Beispiel ist die Abfolge von „Water Games“ (welches das schmalzige Intro für eine 80er-Jahre-Sendung über Yachten in Südfrankreich sein könnte) zu „Total“, der wie das Demotape einer über drei Akkorde verfügenden Hardcore-Garagenband klingt und bezeichnenderweise auch noch der Titeltrack ist.

Schließlich geben selbst die neuen Songs wenig her. „Love In Motion“ ebnet als zweiter Track zwar den Weg für einen sonnigen Start ins Album, wie er wohl sogar Prince ein Schmunzeln entlocken könnte – ganz ernst genommen jedoch klingt es, wie auch „Arabest“, nach einem unverschämtem, schlechten Abklatsch vom Label-Kollegen Breakbot. Zu den wenigen ordentlichen Tracks zählen „Jack Wire“, „Prime“ und „Yes“. Sie zeigen SebastiAns großes Talent, Tracks interessant zu produzieren, klingen aber im Endeffekt schlichtweg nach Daft Punk oder eben Justice – vor einigen Jahren hätten solche Sounds sicher als revolutionär gegolten, heute gibt es mittlerweile zuviele Leute, die sich genau diesen Stil angeeignet haben. Die restlichen Tracks sind x-beliebig austauschbar oder sogar schier katastrophal, so wie die Zusammenarbeit mit M.I.A. auf dem Track „C.T.F.O“, die nicht nur lyrisch auf voller Linie versagt. Somit bleibt die vielversprechende erste Single-Release „Embody“ am Ende das einzige Highlight.

Sechs Jahre Warten auf ein Album von SebastiAns haben mit „Total“ zwar ein Ende, doch erzeugt das Werk keinen wirklichen Fluss und hinterlässt statt dessen einige kritische Fragen. Die wohl offensichtlichste wäre: Worauf hat man hier eigentlich so lange gewartet?

Preview (Auswahl):

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Tracklist:

  1. Hudson River
  2. Love in Motion (feat. Mayer Hawthorne)
  3. Tough Games
  4. Embody
  5. Ross Ross Ross
  6. Fried
  7. Kindercut
  8. Water Games
  9. Total
  10. Jackwire
  11. C.T.F.O (feat. M.I.A)
  12. Cartoon
  13. Arabest
  14. Prime
  15. Mean Games
  16. Tetra
  17. Motor
  18. Night
  19. Yes
  20. Bird Game
  21. Doggg
  22. Frustra

(Ed Banger Records)