Son Lux – We Are Rising

Es gibt Menschen, die fast unsichtbar eine Bühne betreten und innerhalb von Sekunden ein schnackendes und zechendes Publikum zum absoluten Stillstand bringen. Ergriffen schaut die Menge dann auf den Künstler und beobachtet, was dieser von sich gibt. So ein Mensch ist Ryan Lott, dessen Projekt Son Lux und dessen aktuelles Album „We Are Rising“ heißt. Sobald die ersten Töne dieses Albums erklingen, wird der Hörer nur noch eins tun: Alle Arbeit liegen lassen, den Worten „Lift me up / I can hear the singing / Lift me up“ lauschen und genau diesem Wunsch nachkommen. Er wird Son Lux bis zum Himmel emporheben.

Der Opener „Flickers“ – in dem wir obiges Zitat finden – ist gewaltig: Violinläufe, wie sie auch Paganini gefallen hätten; Bläser-Arrangements, die sich passgenau in den Operngesang und die Drums im Hintergrund fügen; und natürlich eine Melodie, die prägnanter und ergreifender nicht hätte ausfallen können. Das erinnert hier und da an Cocorosie – schlimm ist das aber nicht. Geschickt platziert ist der Track auch, denn er erwirbt im besten Fall des Hörers uneingeschränkte Aufmerksamkeit für den Rest des Albums. Glücklicherweise halten die folgenden Tracks das Niveau sehr tapfer: „All The Right Things“ nistet sich tagelang im Ohr ein und kann höchstens von „Rising“ abgelöst werden. Dort wird die von einer Piccoloflöte geführte Melodie gegen Ende so sehr von verzerrten Gitarren und einem befremdend arhythmischen Beat begleitet, dass trotz anfänglicher Fragezeichen am Ende schiere Faszination zurück bleibt.

Der in Colorado gebürtige Ryan Lott alias Son Lux wuchs in nomadischen Verhältnissen auf: So sicher sich die Eltern sind, dass der geliebte Filius einer klassischen Klavierausbildung nachzugehen hat, so unentschlossen sind sie, wo dies denn nun geschehen soll und ziehen von US-Staat zu US-Staat. Schließlich studiert Lott Klavier und Komposition in Indiana, entdeckt seine Liebe zu Hip-Hop, Radiohead und Tanz-Choreografien und lässt sich in New York nieder, wo er erstmals unter dem Namen Son Lux Stücke aufnimmt. Ein Songwriting-Wettbewerb sorgt für den Rest: Als Gewinner spielt er auf einem großen Festival in Michigan und teilt sich eine Bühne mit Genius Sufjan Stevens, dessen Einflüsse auf „We Are Rising“ unabweisbar herauszulesen sind.

Son Lux hat seit der Veröffentlichung seines Debüts At War With Walls And Mazes (2008) viel Aufmerksamkeit bekommen – insbesondere für sein großes Talent, klassisch angehauchte Musik elektronisch zu raffinieren. Das erklärt bestimmt auch die prominente Unterstützung auf dem aktuellen Werk: Peter Silberman von The Antlers, DM Stith oder Shara Worden von My Brightest Diamond seien dabei genannt. Vielleicht machen genau diese Kollegen „We Are Rising“ zu etwas ganz Besonderem. Vielleicht aber ist es einzig Ryan Lott und sein gewaltiges Talent. Was immer es sein mag: Es ist groß.

Preview:

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Tracklist:

  1. Flickers
  2. All the Right Things
  3. Rising
  4. Leave the Riches
  5. Flowers
  6. Chase
  7. Claws
  8. Let Go
  9. Rebuild

(Anticon)