Berlin ist „die coolste Stadt der Europas“. Sagt nicht nur das amerikanische Time Magazine. Junge Menschen aus allen Winkeln Europas verbringen das Wochenende in unserer Stadt. Das hat auch viel mit der vibrierenden Berliner Clubszene zu tun. Namen wie Berghain, Bar25 und Watergate sind den Kids aus der europäischen Provinz Begriff und Sehnsuchtsziel. Mehr als 20 Jahren nach dem Urknall Anfang der 1990er haben Berliner „Techno“-Clubs und darum entstandene Netzwerke das Image von Deutschland so positiv verändert, wie es keine noch so teure Werbekampagne hätte leisten können.
Doch die Würdigung seitens von Politik und Wirtschaft fällt nicht gerade üppig aus. Meinen viele, vor allem die Unterzeichner des Masterplans „Musik 2020 Berlin“, der am 24. Mai 2011 im Pfefferberg vorgestellt wurde. Zusammengeschlossen haben sich dazu über 400 Netzwerkende der Berliner Clubs, Veranstalter, Musiklabels und andere Firmen, die irgendwie mit Musik, vornehmlich elektronisch, zu tun haben. Sie beklagen, dass sich Politiker dieser Stadt gern mit der Coolness der Szene schmücken und das lebendige Image der Stadt als Standortvorteil nutzen – aber wenig konkretes (und finanzielles) zur Unterstützung der Clubkultur tun.
Pünktlich zu den bevorstehenden Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im September 2011 hat jetzt die Berliner Club-Lobby endlich konkrete Forderungen formuliert und versucht, den Wert zu beziffern, den Clubkultur und Musik für Berlin erwirtschaftet. Jährlich setze die Berliner Musikwirtschaft (also Clubs, Veranstalter, Labels und alle anderen, die mit Musik zu tun haben) 1 Milliarde Euro um. 13000 Berliner werden durch sie sozialversichert in Lohn und Brot gebracht. Wie wichtig die Clubs für Berlin sind, leitet die Club Commission aus statistischen Erhebungen ab: Touristen geben deutschlandweit im Durchschnitt täglich 131,60 € in ihen Urlaubsorten aus, in Berlin sind es 196,70€.
Im Masterplan fordert die Berliner Musik-Lobby Förderung, wie sie „Hochkultur“ wie Opern, Schauspielhäusern und Museen ganz selbstverständlich zur Verfügung steht. Clubs und Labels wollen zudem in den Genuss von wirtschaftlichen Förderprogammen und Bürgschaften kommen. Als Sachverständige fordert die Club Commission ein Rederecht in Städeplanungverfahren: dort wollen sie für eine Planungssicherheit für subkulturelle Zwischennutzer eintreten und die Sichtweise von Clubbetreibern einbringen. Wie wichtig so etwas ist, zeigen die Probleme von etablierten Clubs wie Knaack und Icon im Prenzlauer Berg. Berlin soll dann für vertriebene Clubs Ausweichgrundstücke anbieten, die sich im Landesbesitz befinden. Eine detaillierte Auflistung ist auf der Seite von der Berlin Music Commission zu finden. Finanziert werden soll das alles durch 10% der Steuereinnahmen, welche die Musikwirtschaft in die Landeskasse spült. Macht mindestens 10 Millionen Euro jährlich, hat die Berlin Music Commission ausgerechnet.
Die Ideen klingen ja ganz gut, aber ob dieser Masterplan mehr als Papier ist? Denn den Initiatoren fehlen Druckmittel zur Durchsetzung, sie kommen als Bittsteller zu Behörden und Politikern, die eher dazu gewungen werden, zu schauen, wo als nächstes eingespart wird. Wenn Geld direkt den Clubs und Labels zu Gute kommen soll, muss es anderen genommen werden. Geld von Opern und Theatern wegverteilen und einige schließen? Auch ohne Förderung erneuert sich die Berliner Clubszene seit Jahren quasi immer wieder selbst, sie läuft und läuft – ob Politik und Wirtschaft nun auf diese Forderungen der Kampagne „Musik 2020 Berlin“ eingehen oder nicht. Dennoch scheint, dass so langsam in Berlin der Boden austrocknet, auf dem sich unabhängige Clubkultur weiter fortpflanzen kann – und seltsamerweise werden diese Entwicklungen im Papier der Initiative nicht erwähnt: Gentrifizierung, die Steigerung der Mieten und Lebenshaltungskosten, welche alternative Lebensentwürfe von Künstlern und nicht-kommerzielle Projektarbeit immer schwieriger machen.