Am Anfang waren es nur ein paar Parties, die Thomas „Spatz“ Sperling mit Freunden veranstaltete. An ein eigenes Label hatte er aber schon damals gedacht. Erst einige Jahre später (1998) wurde die Vision einer eigenen Klangwerkstatt umgesetzt. Freude am Tanzen mauserte sich über die Jahre zu einer kreativen Houseschmiede „Made in Thüringen“, in der sich Macher und Musiker als Kollektiv verstehen. Dabei steuert jeder seinen speziellen musikalischen Schwerpunkt bei und darf sich darin austoben.
Die Compilation „FAT 5ZIG“ ist Anfang April erschienen und hat ganz und gar nicht den Hang sich als verstaubte, schulterklopfende Rückschau der bisher geleisteten Arbeit zu präsentieren. Vielmehr ist die von elf Künstlern gestaltete Platte eine Momentaufnahme der musikalischen Befindlichkeiten jedes Einzelnen und diese fallen recht unterschiedlich aus. Grob richtungsweisend schlängelt sich das Werk insgesamt durch verfrickeltem Dub bis zu House in seinen verschiedenen Aggregatzuständen.
Wer jetzt einen schmissigen Einstieg in eine Jubiläumsplatte erwartet, wird erstaunt und vielleicht zugleich angetan die Augenbrauen hochziehen. Kadebostan liefern mit „Mother Cries“ nämlich einen überaus melancholischen Einstieg in die Platte. Ein rauhes Violoncello und ein Klavier geistern über den entspannten Beat. Eher vorwärts drängt Monkey Maffia alias Sören Bodner mit „Cruciate Ligament Dub“, ein tiefsitzendes, dubbiges Stückwerk. Die Scheibe bleibt voerst düster und intensiv.
Auch Crisder und DMS alias Taron-Trekka sind Teil des Jenaer Kollektivs, welches sich seit bereits fünf Jahren an gemeinsamen Produktionen vergnügt. Ihr Beitrag „Noo Sun“ ist deep und begeistert einfach durch seine Vielseitigkeit, ständig wechselnde Snares, Vocaleinschübe und Rhythmenwechsel sorgen für Abwechslung und zeigt, daß die beiden Herren ganz gut zusammenzupassen scheinen. „Back Room Deal“ von Douglas Greed (feat. Delhia de france) jammt sich mit allerlei Vocals über den geraden Soundteppich. Klingt erstmal etwas dröge, aber die eingesetzten Harmonien bringen etwas Abwechslung rein.
„Red Walls“ von Mathias Kaden ist zwar einfach gestrickt, aber der groovige Beat bringt dem Track Leichtigkeit und ist genau richtig für einen licht- und schweissgetränkten Dancefloor. Besonderes Augenmerk verdienen die nächsten beiden Tracks. „Drunkie Skunkie“ vom Krause Duo ist eine interessante Soundcollage aus einer jazzigen Snare, tiefergelegten Beats und allerlei Geklöppel am Glockenspiel. Aber mein persönlicher Favorit ist die Nummer „Tension in Leipzig“ von Daniel Stefanik. Ein Zug rauscht im Tempo knatternden Technos vorbei, komm näher, die Spannung wird aufgebaut. Schon ist er wieder weg, der aufgewirbelte Staub legt sich wieder. Der Wind wird schwächer, bis er wieder anrast.
In „Mon Petit Soleil d’Algérie“ entführt uns Kadebostan mal wieder in arabische Klanggefilde. Ein stampfender Rhythmus, glühende Hitze, die Füße brennen und das schwebend orientalische Soundbett bringt etwas Abkühlung. Der Name des darauf folgenden Tracks „Haftbolle“ weckt irgendwie keine Assoziationen mit irgendetwas, obwohl sich das Lied durch ein spannende Geräuschkulisse, minimalistisch und akrobatisch klackert. Einen zwischenzeitlich sakral anmutender Track, einen derbst verfrickelten und spannenden Sound hat Robag Wruhme da hingezaubert. Im Schweiße der ganzen Aufgewühltheit wird an einigen Stellen ein beruhigendes „Ok“ in den Track gekeucht.
Der Gang wird zum Ende hin zurück geschaltet und „Guununk“ läd zum Auslaufen, oder gleich zum Hinsetzen ein – Entspannung pur! Ähnlich wie der elegische Einstieg von Kadebostan ist auch der Track „Exit9“ von den Ambient-Strategen No Accident in Paradise eher tiefsinnig – ein bißchen Keyboard, ein leichtes Rauschen, ein berauschendes Klavier und Vocals setzen ein, die letzten Züge vor dem Ausklingen – zurücklehnen, Augen schließen und genießen!
Die Jubiläumsplatte „FAT 5ZIG“ darf im musikalischen Sinne zwar mit Schampus begossen werden, aber wähnt sich thematisch eher in nachdenklicher, konzentrierter Stimmung. Das heißt jedoch nicht, dass nicht trotzdem ausgiebig gefeiert wird: Auf der Landkarte Europas hat sich das Freude am Tanzen-Kollektiv einige Orte für die aktuelle Jubiläumstour angestrichen – es geht von Manchester bis Würzburg und von Gent bis Prag.
Preview:
[podcast:]http://media.bln.fm/media/audio/previews/freude_am_tanzen_5zig_compilation_preview.mp3[/podcast]
Tracklist:
- Kadebostan – Mother Cries*
- Monkey Maffia – Cruciate Ligament Dub
- Taron-Trekka – Noo Sun
- Douglas Greed (feat. Delhia de France) – Back Room Deal
- Marek Hemmann – Pictures (feat. Fabian Reichelt)
- Mathias Kaden – Red Walls
- Krause Duo – Drunkie Skunkie
- Daniel Stefanik – Tension in Leipzig
- Kadebostan – Mon Petit Soleil d’Algérie
- Robag Wruhme – Haftbolle*
- Juno6 – Guununk*
- No Accident in Paradise – Exit9*
*Bonus – nur auf CD & Digital.