Die Demokratie hat schon über 2000 Jahre auf dem Buckel. Im antiken Griechenland trafen sich alle männlichen Bürger auf einem zentralen Platz und stimmten über alle wichtige Fragen persönlich ab. Sprung in’s 20. Jahrhundert. Vor der Erfindung des Internets sah Bürgerbeteiligung in der Bundesrepublik so aus: Man geht zur Wahl, man tritt in eine Partei ein, man geht auf die Straße und hält bei einer Demonstration Transparente hoch. Hat das noch was mit der demokratischen Idee zu tun?
Wenn alle vier Jahre der Bundestag neu gewählt wird, kann man lediglich zwischen den Komplettpaketen der einzelnen Parteien wählen. Wenn ich also die Grünen wähle, dann wähle ich diese Partei mit ihrem vollen Programm, auch wenn mir manche Punkte darin, wie „Tempo 30 in Berlin“ eher blöd vorkommen. Der Liquid Democracy e.V. hat dazu eine Lösung parat. In der liquid democracy – der „flüssigen Demokratie“ – gibt’s die Möglichkeit zu jedem Themengebiet oder Gesetz die Stimme selber abzugeben. Wer sich nicht selbst entscheiden kann oder will, der kann seine Stimme auf einen Vertreter übertragen, von dem man glaubt, dass er auf diesem Gebiet besser Bescheid weiß als man selbst.
Am Ende sieht das dann so aus: in Fragen Atomkraft dürfen die Grünen für mich stimmen, in Sachen Steuern darf mich die SPD vertreten, für Fragen zur Stadtplanung delegiere ich meine Stimme an Ben de Biel von der Piratenpartei und über Bildung weiß ich sowieso am besten Bescheid: da stimme ich selbst ab. Ob das Prinzip so funktionieren kann, wird gerade ausprobiert – mit Hilfe der Software Adhocracy. Welche Erfahrungen es dabei gibt – und wie die Idee genau funktioniert, das hat Jens Baudisch auf der re:publica 2011 im Interview mit Daniel Reichert erfahren.