Ein junges Paar erwacht im gemeinsamen Bett in Kreuzberg. Die Wohnung ist schwedisch eingerichtet und sieht irgendwie unbelebt aus, fast wie ein Ausstellungszimmer. Sie muss gehen, man weiß nicht, wohin, er bleibt liegen und denkt über die Beziehung nach. Später wird auch er gehen, zur Arbeit im stylishen Loft einer Werbeagentur. Seinen besten Freund trifft er nach Feierabend, dieser arbeitet als Bademeister und wohnt im Prenzlauer Berg. Bei einer für Berlin wohl als typisch vermuteten Flachdach-Party lernt der beste Freund die beste Freundin der Freundin kennen und verliebt sich in sie. Und damit ist die Geometrie des Films komplett.
Adam, Conrad, Carmen und Anna heißen die Figuren, die an den vier Ecken des sehr quadratischen Personaltableaus von „Adams Ende“ stehen. Quadratisch nicht nur, weil alle vier unglaublich „square“, also quadratspießig sind, sondern auch, weil sie in wohl berechneten Spannungsverhältnissen zueinander stehen. Quadratisch auch deswegen, weil die Welt des Films durch ihre vier Protagonisten scharf begrenzt wird: alles spielt sich nur zwischen den Mittzwanzigern ab, die zwar in Berlin leben, dort aber scheinbar ein seltsam isoliertes, aufeinander fixiertes Dasein fristen. Wie Schachfiguren stehen sie da und warten auf den nächsten Zug der anderen.
Adam (übrigens gespielt von Robert Stadlober) besitzt nicht nur einen Rautenpullunder, sondern auch einen Neuwagen und (mittelbar durch seine Familie) ein Haus am See im Brandenburgischen. Dorthin fährt das Quartett und erlebt natürlich eine Handvoll intensiver und schicksalhafter Momente, wie das eben so ist, wenn man im besten Studentenalter mit dem Van in die Sommerfrische reist, dort frühmorgens den Rasen sprengt und frühabends stocksteif beim Essen sitzt und dabei den Wein so trinkt, dass man möglichst genau so aussieht wie seine (abwesenden) Eltern. Irgendwann kommt es zum Bruch, und alle fahren wieder nach Hause.
Und dann wird es plötzlich interessant, denn die Rückfahrt nach dem missglückten Liebeswochenende markiert auch eine narrative Wendung. In der unfassbar hölzernen und blutleeren Konstellation der ersten Filmhälfte tun sich auf einmal Abgründe auf, beinahe so, als gewinne das Schachbrett an Tiefe, als würden die schwarzen Spielfelder zu unergründbaren Löchern. Die fehlende Identifikationsfläche – haben wir wirklich Bekannte, die kurz nach dem Abitur in unästhetischer Designerkleidung durch viel zu teure Wohnungen staksen und dabei Wassereis und Schokoküsse zu sich nehmen? – entbindet die Figuren davon, sich realistisch verhalten zu müssen; das Spannungsfeld zwischen den vier Polen lädt sich mit Energien auf, die der Zuschauer nicht mehr einschätzen oder nachvollziehen kann. Und die sich am Ende auf bizarre Weise entladen.
Der erste Spielfilm des Berliners Richard Wilhelmer wirkt anfangs spröde und angestrengt, die Exposition scheint keine Fragen mehr offen zu lassen und das Ensemble kommt so unnatürlich daher, dass der Zuschauer sofort zu bemerken meint, wenn eine Szene ausnahmsweise in freier Improvisation entwickelt wurde – aber genau aus diesen Faktoren gewinnt „Adams Ende“ im letzten Drittel an Kraft. Wilhelmers Film erweist sich am Schluss als präzise durchdacht und mit der nötigen Kühle umgesetzt, durch und durch geometrisch eben. Das ist zwar nichts für Freunde überschäumender Kinoballaden, hat aber durchaus seinen eigenen, höchst rationalen Reiz.
Vorführungen im Rahmen des “Achtung Berlin”- Festivals:
- 16. April 2011 22:30 Uhr Babylon
- 17. April 2011 18:00 Uhr Passage
- 18. April 2011 18:30 Uhr Filmtheater am F´hain
Adams Ende – Trailer from Adams Ende on Vimeo.