Nachtschichten – The Dark Side of Berlin

NachtschichtenEin Sprayer, eine Frau vom Wachschutz, eine DJane und viele weitere Personen. Sie alle teilen sich in Ivette Löckers Dokumentarfilm „Nachtschichten“ die Nacht als Lebensraum – manchmal nach Dienstplan, in den meisten Fällen aber aus freien Stücken. Und sie teilen sich vertrauensvoll der Kamera mit, sodass sich ein Leben nach dem anderen auf der Leinwand entfaltet. „Nachtschichten‟ ist ein Film, der in absoluter Dunkelheit gesehen werden will: im Kino oder irgendwann dann im Programm nach Mitternacht der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. Denn die Nacht schluckt in vielen Bildern die Konturen, die Kontraste, manchmal schluckt sie alles, so dass nichts bleibt als tiefstes Schwarz. Dieses Schwarz jedoch verdient volle Aufmerksamkeit, denn es ist ein Teil der oft melancholischen, manchmal tragischen Geschichten der Protagonisten.

Selten ist klar, ob nach einem Schnitt die Perspektive wechselt, ob eine vorherige Erzählung wieder aufgegriffen wird oder ob die Kamera vielleicht eine neue Person durch die Nacht begleitet. Da die Bilder nie kommentiert werden und die Filmemacherin bis auf ein paar einleitende Worte nicht in Erscheinung tritt, ist es Aufgabe des Zuschauers, den Kontext herzustellen.

Auf subtile Weise hilft ihm dabei die meisterhafte Komposition der einzelnen Sequenzen, die es beizeiten ermöglicht, einzelne Protagonisten zueinander in Beziehung zu setzen. So wird die Nacht zum Jagdrevier. In ihm spielt zum Beispiel ein Sprayer mit der Fliegerstaffel der Bundespolizei Verstecken. Ein Obdachloser flieht vor seinem früheren Leben, während die Mitarbeiterinnen der Stadtmission durch das verschneite Berlin pirschen, um Wohnungslose vor dem Erfrieren zu retten.

Berlin ist bekannt für seine Nächte, sie werden manchmal tagelang gefeiert. Doch hier geht es eben nicht um Geselligkeit und Party. Wer empfänglich ist für die Schönheit, die sich in den dunklen Ecken der Nacht verbirgt, den werden die Bilder aus „Nachtgeschichten‟ noch für eine Weile begleiten. Denn auch wenn die 97 Minuten vorbei sind, klingen die Gedanken noch lange nach. Mindestens bis der Tag anbricht.

(Regie: Ivette Löcker, A 2010, Dokumentarfilm 97 Minuten)

Aufführungen:

  • 14.4. (22.30): Filmtheater am Friedrichshain, Bötzowstraße 1-5, Berlin-Prenzlauer Berg, Tram: Am Friedrichshain, Arnswalder Platz
  • 15.4. (22:30): Babylon Mitte, Rosa-Luxemburg-Straße 30, Berlin-Mitte, U-Bahn: Rosa-Luxemburg-Platz
  • 16.4. (17.45): Passage Kino, Karl-Marx-Straße 131-133, Berlin-Neukölln, U-Bahn: Karl-Marx-Straße