Bloß kein Opfer sein!

„Drei Jahre Knast sind auf der Sonnenallee so etwas wie ein Summa cum laude‟, kommentiert die Stimme aus dem Off. „Ehre und Auszeichnung.‟ Als Christian Stahl in den „Problembezirk‟ Neukölln zieht, lernt er den vierzehnjährigen Yehya, der mit seiner Familie im selben Haus wohnt, als hilfsbereiten Jugendlichen kennen. Von seiner kriminellen Karriere erfährt er erst mit der Zeit. Mit sechzehn Jahren wird Yehya nach einem schweren Raubüberfall zu drei Jahren Jugendhaft verurteilt.

Der Dokumentarfilm „Gangsterläufer‟ wagt sich unvoreingenommen ein paar Schritte weit in die sogenannte Parallelgesellschaft. Der Film profitiert von dem Vertrauen, das Yehya und seine Familienmitglieder Stahl entgegenbringen. Denn auch wenn man schon oft ähnliche Geschichten gehört haben mag, bekommt das Schicksal einer Flüchtlingsfamilie, die auf der Flucht aus dem Libanon alles verloren hatte und in der neuen Heimat von Gesetzes wegen keinen Fuß fassen durfte, in diesem Film ein persönliches Gesicht.

Für einige Momente zeigen sich Yehya und sein Bruder Mohammed dann sogar unvermittelt privat, ohne jegliches Schauspiel. Zum Beispiel wenn die Wellen am Strand von Beirut das Männlichkeitsgehabe als kindliches Spiel enttarnen. Dennoch, die Angst, Schwäche zu zeigen und als Opfer wahrgenommen zu werden, sitzt tief und versperrt immer wieder den Ausweg aus dem Kreislauf der Kriminalität. In ihrem Milieu scheint man nur die Respektlosen zu respektieren.

Der Dokumentarfilm erzählt die Geschichte Yehyas als eine von vielen und beanstandet dabei auch ein Rechtssystem, das zu spät einschreitet und erst bei Intensivtätern konsequente Maßnahmen ergreift. Die persönliche Entwicklung des Jungen während seines Strafvollzugs zeigt nämlich, dass längere Haftstrafen durchaus auch sinnvoll sein können. Gleichzeitig wird jedoch auch klar, dass die darauf basierende Hoffnung nur auf unsicheren Beinen steht. Zwar werden auch hier keine ultimativen Lösungen angezeigt, aber der Film mahnt an, dass die Debatte um Jugendkriminalität auch in Zukunft objektiv weitergeführt werden muss. Und dass auch Täter Menschen und menschlich sind.

(Regie: Christian Stahl, D 2010 Dokumentarfilm, 90 Minuten)

Aufführungen:

  • 15.4. 20.15 Uhr: Babylon Mitte, Rosa-Luxemburg-Straße 30, Berlin-Mitte, U-Bahn: Rosa-Luxemburg-Platz
  • 17.4. 20:15 Uhr: Passage Kino, Karl-Marx-Straße 131-133, Berlin-Neukölln, U-Bahn: Karl-Marx-Straße
  • 18.4. 20.30 Uhr: Filmtheater am Friedrichshain, Bötzowstraße 1-5, Berlin-Prenzlauer Berg, Tram: Am Friedrichshain, Arnswalder Platz FaF