Menschen wie Götter

Wir leben in einer Zeit, in der  die Menschheit mit der Situation konfrontiert ist, dass sie eine Macht besitzt, die früher nur Göttern zugesprochen wurde. Doch ist es gesund, einen Kranken um jeden Preis zu heilen, oder krank, ewige Gesundheit oder ewiges Leben zu wollen? Schließlich konnten Menschen den Tod als das endgültige Ende nie  akzeptieren und glaubten, sie lebten irgendwo oder als irgendetwas weiter.

In „Orpheus und Eurydike“ steigt Orpheus in die Unterwelt hinab, um seine Geliebte aus dem Totenreich zu befreien. In Benedek Fliegaufs neuestem Film „Womb“ (= zu deutsch Gebärmutter) steigt Rebecca (Eva Green) hinab in einen Abgrund technischer Möglichkeiten ihren Geliebten, Thomas, wieder zu erwecken.

Womb“ beginnt als süße Liebesgeschichte zweier Neunjähriger vor der Kulisse einer wilden, rauhen, unglaublich romantischen Küste. Doch dann muss Rebecca mit ihrer Mutter nach Japan. Zwölf Jahre später kehrt sie mit abgeschlossenem Mathematik-Studium zurück und trifft auf den verträumten, revolutionären Biologie-Student Thomas. Der kleine Junge von damals ist ein Mann geworden. Er war ihre erste Liebe – und die flammt natürlich sofort wieder auf. Kurz danach stirbt Thomas und Rebecca beschließt den geliebten Menschen nicht mehr gehen zu lassen. Sie trägt seinen Klon als Baby aus. Der Junge, der so lange auf sie gewartet hat, soll wieder leben – genauso wie die Liebe, die immer nur auf ihre Erweckung wartete.

Doch das Gleiche ist nicht das Selbe. Obwohl dem toten Geliebten genetisch komplett gleich und in Charakterzügen ähnlich, ist der neue Thomas ein eigenständiger Mensch, der sein eigenes Leben lebt. Zwischen ihm, dem Sohn und Geliebten, und Rebecca entstehen immer stärkere, unterschwellig ausgetragene Konflikte.

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„Womb“ bedient sich bei der antiken Mythologie: „Orpheus und Eurydike“ und „Ödipus“ sind Referenzen. Auf eindrucksvoll einfühlsame Weise nähert er sich der Problematik des Klonens und den technischen Möglichkeiten, den Tod als unumgängliches Ende des Lebens auszutricksen. Der Mensch und seine Gefühle, nicht die Technik, stehen im Vordergrund. Kein actiongeladener Science Fiction-Thriller, sondern ein momentverliebter, melancholischer Film, der das Innenleben und die Einsamkeit der Menschen durch meisterhafte Kameraführung bebildert. Omnipräsent sind wunderschöne Landschaftseindrücke der rauhen Küste – das Meer, das für den Gegensatz zwischen Erhalt und Zerstörung des Lebens steht.

Die ruhige Grundstimmung ist zugleich die größte Stärke wie auch eine im Laufe der Handlung immer stärker wahrnehmbare Schwäche des Films: je verfahrener die Situation der Mutter und ihres Geliebten/Kindes wird, desto mehr steckt der Film in seiner Handlung fest. Der Grundkonflikt verstreut sich zum Ende immer mehr in ein diffuses Nichts.

„Womb“ thematisiert eine Problematik, der sich diese Gesellschaft definitv noch stellen muss. Leider ist er dafür zu wenig konkret. Ohne Zweifel ein sehr schöner Film, der zum Nachdenken anregt, doch leider etwas zu diffus und verträumt.

Womb (Ungarn, Frankreich, Deutschland 2010), Regie: Benedeck Fliegauf, ab 7. April im Cinestar Kino in der Kulturbrauerei, Hackesche Höfe Kino, Neue-Kant Kinos, Sputnik Südstern, Tilsiter Lichtspiele