Nachmittags an der Schillingbrücke am Ostbahnhof. Die Sonne scheint und es fehlen noch ein paar Meter auf dem sandigen Pfad hinunter zum Eingang des Clubs Maria am Ostbahnhof. Ich gehe hinein und bleibe kurz stehen, bis sich meine Augen vom grellen Sonnenschein an die Dunkelheit gewöhnt haben. Niemand ist da, die Sitzecken und Tanzfläche leer.
Der Tresen sauber geputzt, der Müll zusammengekehrt auf dem Boden. Über dem Dancefloor drehen sich noch die Diskokugeln, als hätten sie das Ende der letzten Party nicht mitbekommen. Die wenigen Türen an der Spreeseite der alten Fabrikanlage sind weit geöffnet. Die Sonne scheint so gut es geht rein und die frische Luft versucht den rauchig-feuchten Mief zu verdrängen.
Ich treffe Ben de Biel, Hirn und Herz der Maria, an seinem Schreibtisch. Die hohen Betonwände des Büroraumes und dem winzigen Fenster drin wirken nicht sehr einladend. Aber das kreative Chaos an Unterlagen und Flyern auf dem riesigen Tisch, Krims Krams in Schränken und Postern an der Wand deuten darauf hin, daß sich hier die kreative Zelle des Clubs befindet.
Schnell sind wir mitten im Gespräch und die Bildschirmschoner seiner Rechner springen an. Anrufe nimmt er rasch entgegen, um sie gleich wieder abzuwimmeln. Gelassenheit liegt in seiner Stimme. Er überlegt kurz, seine Antworten klingen analytisch und überlegt. Manchmal schaut er forsch aus dem Augenwinkel, dann lächelt er verschmitzt und zündet sich die nächste Zigarette an. Tiefe Bestürzung und Wut auf geldgierige Investoren und versagende Politik? Fehlanzeige!
Ben de Biel betrachtet das Ende seines Clubs rational und ohne Bedauern. Die Maria durfte an diesem Ort länger als erwartet bleiben und ein Ende sei von vornherein abzusehen gewesen. Dazu kommt: Bens eigentliche Profession und Leidenschaft liegt in der Fotografie.
Über Barjobs wie im Tacheles und dem Berliner Besetzer-Kollektiv Eimer hat sich der gebürtige Hesse sein eigenes Netzwerk im Nachtleben aufgebaut. In Berlin gab’s immer 300 Leute für ne Party oder Konzert – egal wie merkwürdig das Angebot war. Heute sei alles schwieriger geworden, sagt Ben: einen Club führen bedeutet mehr konzeptionelle Arbeit, man muß bereits viele Leute in der Szene kennen und sich mit Künstleragenturen herumschlagen. Früher ging das einfacher, es gab vieles einfach umsonst. Heute geht das nicht mehr.
Auch Beschwerden von Anwohnern sind ein Problem, womit sich auch die Maria rumplagt. Ben de Biel ist selbst Papa und findet das Denken der Leute, insbesondere von Familien, oft zu provinziell. In der Stadt wohnen und es ruhig haben, das geht schwer.
Ob wir uns auf einen dritten Club Maria an anderer Stelle in Berlin freuen dürfen, schließt Ben de Biel nicht aus. Es gäbe immer die Möglichkeit weiterzuziehen. Allerdings nur innerhalb des Stadtzentrums, wo die Touristen hinkommen. Hier werden kulturelle Inhalte gebraucht statt die Pubcrawls auf der Oranienburger Straße.
Der Senat hat zur Clubszene eine total schizophrene Haltung, meint Ben. Nach außen wirbt man massiv mit dem Nachtleben, aber um die “Basis”, die Grundlagen, darum kümmert sich keiner so richtig. Vom Senat aus gibt es keine Angebote von Ausweichorten und keine zentralen Ansprechpartner – „…das muss man sich schon alles selber suchen, da wundert man sich schon.“
Wir sprachen auch über 13 Jahre Parties und Konzerte aus der Zeit der Maria. Eine Anekdote Bens bezieht sich auf Merrill Beth Nisker alias Peaches, die bei ihrem Konzert eine CD verschenken wollte. Die hatte sich die Künstlerin in ihrem Slip gesteckt und der Interessent sollte sie sich dort selbstverständlich selbst abholen. Das traute sich zunächst keiner.
Ben de Biel im Interview!
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Das große Finale!
Am letzten Wochenende (20./21. Mai) wird bei der großen Abschlußparty nochmal die Sau rausgelassen. Dabei helfen werden Alexander Kowalski, Modeselektor, Apparat, Guido Schneider, T. Raumschmiere und weitere alte Weggefährten des Clubs!