Gut Ding will Weile haben. Nach ihrer beeindruckenden Debut-EP „Neon City“ (2004) und dem ebenfalls hochgelobten Album „Pale Ravine“ (2005) ließen Erik Skodvin und Otto Totland einige Jahre ins Land ziehen und widmeten sich Solo-Projekten – Skodvin unter dem Namen Svarte Greiner, Totland unter den Namen Nest. Letztes Jahr traf sich das Duo in Berlin wieder um im DurtonStudio von Nils Frahm – unter anderem Produzent von Greg Haines und Peter Broderick – in kürzester Zeit ihr lang erwartetes drittes Werk zu produzieren. Das Warten hat sich gelohnt, denn „Owl Splinters“ ist ein Album, dass in Punkto Qualität und Anspruch nahtlos an die vorigen Alben anschließt, in Punkto Komposition, Präzision wie auch Tiefe jedoch eine eindrucksvolle Steigerung erlebt.
Ja, man erkennt die Handschrift des Duos wieder, denn wie gewohnt bilden atmosphärische Klänge, viel Drones, Field Recordings, das Klavierspiel Skodvins und die Streichereinheiten Totlands die Hauptingredienzen ihrer Musik. Jedoch erscheint „Owl Splinters“ durchdachter, jeder Klang sinnvoll gesetzt. Hinzu kommt ein weiteres wunderschönes, Gänsehaut verursachendes Merkmal: Anders als bei den Vorgängern haben sich die beiden Künstler noch mehr auf ihre Hauptinstrumente – Klavier und Cello – bezogen und geben ihnen Raum zur Entfaltung. Mal rückt das Klavier in den Vordergrund wie im traurig-romantischen „Time Spent“ oder in dem seufzend melancholischen „Fiction Dawn“. In anderen Stücken spielt das Cello die Hauptrolle wie in „Divided“ oder dem irritierenden „Animal Sacrifice“. Letzteres führt dabei vor, was für vielfältige Klänge – Kratzen, Quietschen, sanftes Streicheln und mehr – aus einem Cello geholt werden können, denn tonal besteht es aus nichts anderem als einen simplen Moll-Dreiklang. Dass beide Instrumente jedoch auch eine wunderbare Kombination ergeben, sich ergänzen oder musikalisch miteinander streiten können, das führen uns die beiden Musiker in ihrem Album immer wieder auf faszinierende Weise vor.
Wie für Deaf Center typisch, ist die Stimmung meist dunkel und melancholisch, wobei sie des öfteren gar bedrohlich wirkt. Hochemotional sind die Tracks alle, doch kann man wohl das epische „The day I would never have“ als Meisterstück des Albums betiteln. Zehn Minuten lang stürzt uns die Musik in ein dramatisches Szenario: Beginnend mit einer einsamen Klaviermelodie baut sich über einen Drone-artigen Cello-Ton eine von verzerrter Gitarre und Orgel verstärkte Klangwand auf, die sich drohend erhebt und schließlich über dem Hörer zusammenfällt – Der Gedanke an einen Sturm kommt auf, der sich auftürmt, über der Welt wütet und sich dann plötzlich auflöst… und auf einmal ist da wieder das Klavier, ruft dem Hörer tröstende Worte zu und zeigt ihm den Weg durch das Dunkel, geleitet ihn hinaus.
Deaf Center klingen wie Filmmusik zu einem Film, den es nicht auf der Leinwand zu sehen gibt. Zum Glück, möchte man sagen: Denn es ist Musik zu einem Film, der nur im Kopf des Hörers existiert, somit für jeden anders und einzigartig ist, und dort bleiben möchte – wie ein Lieblingsbuch, vor dessen filmischen Umsetzung man sich fürchtet, da man weiß, dass sie der eigenen Vorstellung nie gerecht werden würde. Unbedingt anhören!
Preview:
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Tracklist:
- Divided
- Time Spent
- New Beginning (Tidal Darkness)
- The Day I Would Never Have
- Animal Sacrifice
- Fiction Dawn
- Close Forever Watching
- Hunted Twice