Dämonen

Wir blicken hinein in eine schick eingerichtete Wohnung. Hier treffen zwei Paare, die gegensätzlicher nicht sein können, aufeinander. Frank und Katharina, ein kinderloses Paar Ende dreißig sind Bewohner. Frank betritt die Wohnung, die Asche seiner Mutter trägt er in einer Plastiktüte. Er ärgert sich über die Unordnung, in der seine Frau die Wohnung versinken lässt. Als die Unternachbarin Jenna anruft, um sich ein Päckchen Reis auszuleihen, kommt Frank auf die Idee, sie und ihren Mann Tomas auf einen Pärchenabend einzuladen. Die beiden führen eine nach außen hin harmonische Beziehung, haben zwei kleine Kinder. Doch sie wirken etwas verloddert, ungepflegt, wie alle jungen Eltern leicht überfordert und ausgebrannt von ihren Elternpflichten, Aufgaben und, wie sich herausstellt, sind sie auch unzufrieden damit. Sie streiten sich: Anfangs harmlose Beziehungssticheleien wachsen zu immer morbideren Machtspielen und -kämpfen aus. Im Laufe des Abends fallen die Hüllen, kommen die Dämonen jedes einzelnen zum Vorschein. Frank und Katharina führen eine Art Kampf um Macht und wer es länger mit dem anderen in der Beziehung aushält. Ein fast schon psychopathisches Ringen um die Oberhand und ein Kampf mit sich selbst um sexuelle Begierde und Gelüste. Jenna und Tomas übertragen die Unzufriedenheit über ihre Lebenssituation angesichts des scheinbar so tollen freien Lebens des anderen Pärchens auf den anderen: „Wir wollen erstmal keine Kinder mehr. Er braucht sich ja nur auf mich raufzulegen und schon bin ich schwanger.“

Die Bühne vermittelt stark den Eindruck einer Außenperspektive, wir erleben das Geschehen wie unter einer Käseglocke, blicken durch Glas, verfolgen die Schauspieler mit Kameras in die sonst nicht einsehbaren Teile der Bühne. Während die Paare streitend durch die Wohnung laufen, immer wieder schreiend nachfragen, was der andere denn eigentlich gesagt hat, dann schreckliche, fordernde Stille, dreht sich die Bühne. Der Beziehungskrieg auf dem Präsentierteller: Wie einsam kann man sich in einer Beziehung fühlen? Sehr! Wie auf dem Tablett – ein Panoptikum.

Die Demütigungen werden immer krasser, irgendwann weiß man nicht mehr, ob man kotzen und jubilieren soll. Als Frank die Asche seiner Mutter über der in einer Ecke kauernden Katharina ausschüttet, lachen einige im Publikum. Ich kann das nicht verstehen, ich finde dieses Bild eher verstörend. Aber vielleicht lehrt uns das auch etwas über die Dämonen in uns selbst, denn tatsächlich steckt Franks zynischer Narzismus irgendwie an und wir fragen uns: Ist das jetzt okay oder ist das schon Perversion? Wo liegt die Grenze, zwischen Spielchen und wann überschreite ich die Grenzen der menschlichen Würde?

Lars Noréns Stück besticht definitiv durch eine immer frische Absurdität des Handelns seiner Charaktere und irgendwie findet jeder sich in diesen Beziehunsgkriegen wieder. Thomas Ostermeiers Inszenierung drückt vor allem die Selbstisolation in einer Beziehung, die Einsamkeit, aus und porträtiert die Dämonen in jedem einzelnen, aber besonders in Frank, dessen ostentativer Narzismus vielleicht doch nur einen besessenen Selbsthass überspielt. Ostermeier inszeniert Lars Noréns Stück mit der angemessenen, eisigen Stimmung zwischen den Figuren. Er verspielt jedoch dadurch die große Stärke des Theaters, dass man den Darstellern, dem Geschehen viel, viel näher ist, als durch eine Mattscheibe, oder auf eine Leinwand geworfen.