Chaim – Alive

Chaim - AliveSeit der ersten Veröffentlichung vor fast zwölf Jahren steht das von Ellen Alien betriebene Label Bpitch Control für eine enorme Bandbreite elektronischer Musik. Gern wird das Label als eines der wichtigsten Berlins genannt, denn Künstlern wie Modeselektor, Toktok, Paul Kalkbrenner oder Sascha Funke wurde hier der nötige Schub verpasst, um auch für die breite Masse zugänglich und präsent zu sein. Und wie das nunmal so ist, kam in den letzten Jahren auch reichlich Kritik, die – teils berechtigt – den Vorwurf des Ausverkaufs laut werden ließ.

Egal, ob man nun mit dem gesamten Repertoire des Labels oder den manchmal seltsamen Ergüssen der Labelbetreiberin konform ging, so muss doch eingestanden werden, dass durch das richtige Gespür für Talente viele musikalische Perlen ständiger Wegbegleiter von Bpitch Control waren. Genau solch ein Talent scheint mit Chaim Avital aus Tel Aviv gefunden, der kürzlich mit seinem sommerlich housigen Album „Alive“ debütierte. Zwar wäre es vermessen, von einem der besten Alben des Jahres zu sprechen, doch der Silberling mit seinen 13 Titeln hat genügend Potential, um auch Chaim ein ganzes Stück weiter in den House-Olymp aufsteigen zu lassen.

Während frühere Veröffentlichungen wie die gemeinsam mit Guy Gerber produzierten Stücke auf dem Label Supplement Facts oder ersten Beiträgen auf Bpitch Control noch stark Richtung Minimal und Tech-House zielten, überraschte Chaim bereits im letzten Jahr mit der ersten Single-Auskopplung „U & Eye“, einem recht deepen House-Track garniert mit der Stimme Meital De Razons. Insgesamt zeigt sich Chaim auf „Alive“ weit experimentierfreudiger und arbeitet mit wesentlich wärmeren Grooves sowie organischen Soundschnipseln, was auch bei dem House-Brett „Everything“ (Track 3) und dem als digitalen Bonus-Track beigefügten „Don’t Shout“ deutlich wird.

Mit ebenso faszinierender Leichtigkeit folgte die zweite Auskopplung „Love Rehab“, bei der Chaim so richtig im 70er-Jahre-Discobeat aufgeht. Nicht nur Frank Farian lässt hier ein wenig grüßen, wenn die Synthies von einst wiederbelebt werden und Meital als Kontrast zum männlichen Gegenpart ins Mikrofon haucht. Höhepunkt des Albums ist der wunderbare Titeltrack „Alive“ (Track 8), wunderschön aufgebauter Deep House mit verzerrtem weiblichen Gesang und einer enormen Tiefe, welche durch raumgreifende Synthie-Klänge und perfekt gesetzte Chords entsteht. Wieder ganz anders hört sich dagegen das mit Gitarre und Bass versehene und verträumt daherkommende „Robots on Meth“ an, für dessen freizügigen Inhalt diesmal Jaw seine Stimme lieh.

Nicht jede prominente Unterstützung ist allerdings so gut gelungen wie die Kooperation mit Meital. Während das Supermodel Elisa Sednaoui einen Track lang über die Liebe philosophiert, nervt der Beitrag des Berliner Lokal-Helden Snax leider ein wenig. Quasi als kleine Erinnerung an seine Anfänge findet sich auf dem Album auch das erste Chaim-Release „Popsky“, welches seinerzeit noch auf Hi Freaks veröffentlicht und aus entsprechend buntem Tech-House gestrickt wurde. Insgesamt malt Chaim trotzdem ein rundes Bild mit vielen kleinen Pinselstrichen. Ein Album zum Versinken, das auch nach mehrmaligem Hören noch immer neue kleine Details entdecken lässt.

Preview:

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Tracklist:

  1. Rain
  2. U & Eye (feat. Meital De Razon) (Album Version)
  3. Everything
  4. Wish (feat. Snax)
  5. Love Rehab (feat. Meital De Razon) (Album Version)
  6. Runaway Frequencies
  7. Robots On Meth (feat. Jaw)
  8. Alive (feat. Meital De Razon)
  9. Who Said What (feat. Elisa Sednaoui)
  10. Naturalness
  11. Popsky
  12. People Can Talk
  13. Digital Bonus Track: Don’t Shout

(Bpitch Control)