Zugvögel als Metapher für die beflügelten Worte der Poesie. Wie in dem Gedicht von Henry Wadsworth Longfellow, von dessen Titel sich Alicia Merz auf der Suche nach einem Künstlernamen offensichtlich hat inspirieren lassen. Dass die Neuseeländerin nicht nur Lieder schreibt und aufnimmt, sondern sich auch noch als Dichterin betätigt, liegt bei der Wahl ihres Pseudonyms „Birds of Passage“ also nahe. Konsequenterweise ist eine Special Edition ihres Debutalbums „Without the World“ auch als limitierte LP oder als CD-Digipack inklusive des Gedichtbands „A Garden of Secrets‟ erhältlich.
Die Lieder von Birds of Passage sind ruhig, entschleunigt, reduziert. Auf ihrem Myspace-Profil schreibt sie: „I hope my music brings you warmth, brings you emotion, and brings you back‟. Möchte man die Stimmung ihrer Musik beschreiben, ist man ziemlich bald versucht zu sagen, „Without the World“ sei ein Winteralbum – denn die hier gebotene Kombination aus stark verhallter Stimme und zurückhaltend arrangierten Instrumenten (vor allem Orgeln, Synthesizer, Gitarren ) könnte im nahenden Frühling, wenn man dem Sofa und der Heizungsluft endlich wieder entkommen möchte, in all der aufgestauten Sehnsucht nach einem neuen, aktiveren Leben erstmal völlig untergehen.
Es liegt etwas sehr Persönliches in ihrem Minimalismus, sodass diese Lieder nur schlecht als Hintergrundbeschallung funktionieren.In zu viel Öffentlichkeit bliebe kaum mehr als ein Rauschen von ihnen übrig. Die Stimme von Alicia Merz ist oft eher ein Flüstern als ein Singen, und in Verbindung mit der sparsamen Instrumentierung springt einen die Intimität mancher Stücke förmlich an. Das Rauschen lässt sich dann nur schwer ignorieren. Vor allem „Skeletons‟, „All My Lines‟ und „My Own Mind‟ verlangen, so schön sie auch jeweils sein mögen, auf penetrant zurückhaltende Weise ein hohes Maß an Aufmerksamkeit. Doch auch bei intensiver Zuwendung kann bei manchen Songs der Eindruck entstehen, die Intimität werde zum Prinzip erhoben, dem leider auch mal die Kreativität zum Opfer fällt. Dann fehlt es an überraschenden Momenten und man wünscht sich irgendetwas Unerwartetes, vielleicht einen Harmoniewechsel, der das Schema durchbricht.
Es finden sich aber auch Stücke mit einer deutlicheren Dramaturgie, die trotz aller Intimität keine Eintönigkeit aufkommen lassen. Oft kommen dort einige Instrumente mehr zum Einsatz, und Reduktion heißt dann nicht einfach, dass Stimmen komplett wegrationalisiert werden, sondern dass sie in manchen Momenten etwas sagen dürfen und in anderen zu schweigen haben. Als würden sie miteinander kommunizieren. Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang „Those Blackest Winter Nights‟, „The Patterns on your Face‟, „Scarlet Monkeys‟ und vor allem „Fantastic Frown‟. Letzteres tritt besonders hervor, da es das vielleicht eingängigste Lied auf dem Album ist – und auch das einzige, auf dem eine Rhythmusgitarre eine Rolle spielt. Das klingt an sich vielleicht nicht sehr spannend, doch wenn man bedenkt, dass sich der Rest des Albums jeglicher Rhythmik weitestgehend verweigert, wirkt dieser Umstand irgendwie erfrischend. Im Zusammenspiel mit dem zum Teil zweistimmigen Gesang und den anderen, einfach aber pointiert eingesetzten Instrumenten entfaltet sich dann ein wunderschönes Stück Dream Pop.
Generell muss man wohl sagen, dass „Without the World“ nicht durch musikalische Komplexität besticht, aber bekanntlich ist dies ja nur einer der Aspekte, anhand derer man versuchen kann, die Qualität eines Liedes zu bestimmen. Dass Birds of Passage mit ihrer Musik Intimität schaffen und somit eine gewisse emotionale Wärme erzeugen kann, daran besteht allerdings kein Zweifel. Das ist ihre Qualität, wenn man so will. Und zum Wollen bräuchte man nur etwas Zeit und Ruhe.
Preview:
[podcast:]http://media.bln.fm/media/audio/previews/birds_of_passage_without_the_world_preview.mp3[/podcast]
Tracklist:
- You
- Scarlet Monkeys
- Fantastic Frown
- Pray for a Sunny Day
- Skeletons
- The Patterns on your Face
- All my Lines
- Heal
- Whisper a Word
- My Own Mind
- Those Blackest Winter Nights
- Alone and Raw
( Denovali Records )