Seefeel – Seefeel

seefeelSiebzehn Jahre ist es her, da wagte das Warp-Label den Blick über den elektronischen Tellerrand hinaus und signte eine Band, die zu dem Zeitpunkt nicht wirklich als elektronisch zu bezeichnen war. Seefeel hieß der Außenseiter, und dies war er nicht nur im damaligen Label-Umfeld. Anfangs noch dem Rock, präziser dem sogenannten Shoegaze zugeordnet, reichte ihnen dieser Rahmen nicht mehr und sie machten sich auf die Suche nach Klängen und deren technischen Umsetzungsmöglichkeiten, die ihren freigeistigen Ideen eher entsprechen konnten. Der Schritt hin zu den Möglichkeiten des Elektronischen war da nicht abwegig, wenn auch Seefeel die Gitarre nie ganz an den Nagel hängten. Es folgten experimentelle, elektronisch geprägte Alben, die jedoch auch weiterhin nicht auf die Rock-üblichen Instrumente oder den Ethereal-nahen Gesang Sarah Peacocks verzichtete. Jedoch waren die Tracks oft abstrakt, die Klänge stark verfremdet, in den Computer gespeist, zerlegt, neu zusammengesetzt und wieder hinausgejagt. Es verwundert nicht, dass sich da auch eine Freundschaft und diverse Kooperationen mit den Elektro-Tüftlern von Autechre ergaben.

Lange war es eher still geworden um Seefeel, und nun das: 14 Jahre nach ihrem letzten richtigen Album „CH-VOX“ und Ausflügen zu anderen Labels sind sie wieder bei Warp gelandet und legen nach der 2010 veröffentlichten EP „Faults“ mit einem neuen Album nach.

Es ist fast ein bisschen verwunderlich, dass zwischen diesem und dem letzten Album ein so langer Zeitraum liegt; denn dieses Album schließt klanglich wie stilistisch praktisch nahtlos an das Alte an… Und dennoch scheint es mehr in die heutige Zeit zu passen. Man könnte vielleicht behaupten, das Publikum oder dessen Hörgewohnheiten seien gereift. Denn Seefeels Musik ist nicht mehr so ungewöhnlich, wie sie mal schien. Waren sie vor 14 Jahren noch eher Pioniere in den abstrakten, schwer erfassbaren Zwischenräumen der musikalischen Stile, so gibt es heute wesentlich mehr Künstler, die sich in diese Räume wagen. Gerade in der elektronischen Musik sind die Grenzen offener denn je.

Das selbstbetitelte Album „Seefeel“ ist weiterhin herausfordernd eigensinnig. Welche Zutaten dabei bevorzugt werden, zeigt sich sogleich im einminütigen Intro „O-On One“: Dreckig, kratzig verzerrte, teils bis fast zur Unkenntlichkeit verwandelte und mit Hall belegte Gitarrenklänge. Angenehm klingt das nicht wirklich und macht einen dennoch neugierig auf das, was das Album sonst noch zu bieten hat. „Dead Guitars“ kommt nun mit einem schleppenden Downbeat und langsam treibenden Basslauf daher, auf dem sich Marc Clifford mit seiner Gitarre breitmacht, die klanglich dem Intro ähnelt, jedoch nun Form und Melodie erhält. Und darüber der weiche, zurückhaltende Gesang Sarah Peacocks. Der Kontrast aus unruhiger Kratzigkeit und weicher Harmonie macht auch den Reiz dieses Ausnahmetracks aus. Der dritte Track „Faults“ – Titeltrack der zuvor herausgebrachten EP – ist da vergleichsweise sanft und behaglich, was wohl auch wieder an dem Gesang Peacocks liegt, der neben dem simplen, aber herausstechenden Bass im Vordergrund steht. Hier setzen Gitarre wie Synthieklänge nur kleine, prägnante Akzente.

Ein weiteres Highlight ist das hypnotische „Rip-Run“, ein fast klassischer Trip-Hop-Song mit Chorus-versetzter Gitarre und wieder Peacock, die beruhigend und mehrstimmig vor sich hinsingt. „Making“ könnte im ersten Moment als typischer Dub gehört werden, wenn da nicht die schräg verzerrte, auf Schleife rückwärts und vorwärts gespulte Gitarre wäre. Irgendwie kommt da der Gedanke an einen Insektenschwarm hoch, den man vertreiben will und doch nicht los wird. Nicht unerwähnt bleiben darf „Airless“, ein Track, der erst Kopfschütteln und dann Erstaunen hervorruft. Am Anfang sind es nur Klang- und Gesangsfetzen, die wie hingeworfen scheinen, doch langsam fügen sie sich zu einem kantig-rauen, aber dann doch ätherisch-schönen Ganzen zusammen.

Seefeel machen es einen wahrlich nicht leicht. Ihre Musik eröffnet sich nicht gleich in den ersten Takten, im Gegenteil: Abstrakt, schräg, mit Unmengen Störgeräuschen versehen kommt sie daher. Überwindet man jedoch diese von ihnen wohl bewusst gesetzten Hürden, nehmen sie uns mit in eine Welt voll ästhetischer Klänge, deren Schönheit vielleicht gerade durch diesen Gegensatz verstärkt wird. Nein, kein Album für diejenigen, die Musik – egal ob Elektro oder Rock – nach Schema F suchen. Aber ein Album für die, die sich auch mal provozieren lassen mögen, wissend, dass der erste Anschein trügen und viel Schönes und vor allem unbedingt Hörbares offenbaren kann.

Preview:

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Tracklist:

  1. O-On One
  2. Dead Guitars
  3. Step Up
  4. Faults
  5. Gzaug
  6. Rip-Run
  7. Making
  8. Step Down
  9. Airless
  10. Aug30
  11. Sway

(Warp)