Die Nachricht, dass die lebende Regie-Legende David Lynch sein Metier verlässt, um elektronische „Dance-Mucke“ zu produzieren, wurde in Musik und Fan-Communities äußerst ambivalent aufgenommen. Es ist jedoch nicht das erste Mal, dass sich Lynch dem Musizieren annimmt: Bereits 2001 veröffentlichte er zusammen mit John Neff ein Album aus zwölf fast instrumentellen Songs, die den typischen mysteriösen Lynch-Charakter widerspiegelten und das Feeling einer harmlos wirkenden aber insgeheim düsteren Überschaubarkeit einer amerikanischen Kleinstadt vertonten – ein typischer Lynch-Film in Musik umgewandelt eben. Auch für seinen 2006 erschienenen Film Inland Empire komponierte er einige Songs und wirkte außerdem tatkräftig bei den Soundtracks für viele seiner Filme wie Eraserhead, Mulholland Drive, Blue Velvet oder der Kultserie Twin Peaks in entscheidender Position mit.
Im Dezember 2010 kamen die beiden neuen Tracks von Lynch heraus. Musikalisch trifft er damit genau den Nerv der Zeit. Dass elektronische Tanzmusik momentan nämlich überall gut ankommt, ist wohl schon lange kein Geheimnis mehr. Ende Januar 2011 erschien auch das dazugehörige Remix Package mit jeweils drei Remixen seiner beiden Songs.
Allerdings fällt durchaus auf, dass die elektronische Musikecke nicht ganz Lynch‘ Fachgebiet ist. Der Filmemacher scheint krampfhaft „modern“ sein zu wollen. „Good Day Today“ und „I Know“ sind auf keinen Fall schlechte Nummern, aber sie erfüllen leider einfach bloß die Standard-Elektro-Song-Komponenten: Synthesizer an, eine Grundmelodie wählen und mal an den Reglern drehen, bis was Passendes dabei rauskommt. Zusätzlich jagt Lynch seine Stimme auch noch des Öfteren durch den Vocoder und überstrapaziert leider das Ohr des Hörers ein wenig an den Stellen, an denen er anscheinend die Tasten am Synthesizer gefunden hat, die die Sounds von Maschinengewehren, explodierenden Bomben oder von Helikoptern wiedergeben.
Vielleicht ist dies aber auch seine Methode, sich von dem überfluteten Musikmarkt abzugrenzen, und er verwendet diese leichte Überproduktion ganz gezielt, um einen filmischen Charakter zu erreichen. Auf jeden Fall sind die beiden Stücke abgedreht und experimentell, schön in unser Bild des ebenfalls abgedrehten Regisseurs David Lynch passend.
(Photo by Adam Bordow © 2010)
Leider sind die Remixe der beiden Titel meist besser als die Originale. Bei denen von „Good Day Today“ geht der Underworld Classic Remix im Tempo eine Stufe runter und auch die Überladenheit der Lynch-Single wird angenehm reduziert. Außerdem hat die Stimme des britischen Duos Underworld auch eine etwas angenehmere Tonlage, als die des berühmten Regisseurs. Der Boys Noize Remix besitzt ohne Zweifel den für ihn typischen Flair mit Laserkraft-Bässen und -Drums und den Synth-Streicher-Keyboard-Sounds. Bei diesem Remix entsteht im Kopf eine Phantasie, bei der man wohlbehütet auf dem Fahrrad eine Bergstraße hinunter rast und einem der warme Sommerwind um die Ohren flattert. Ein sehr gelungener Remix. Diskjokke liefert danach einen richtigen 80er -Disko-Hit ab, schön simpel produziert, ohne unnötigen Schnickschnack.
Bei den „I Know“ Remixen sticht besonders der Sasha Remix heraus: Zum Dahinschmelzen baut sich der Song ruhig auf und erlischt zum Schluss in rhythmischen Drums. Der „Headz in Dark“-Mix von Ratcliffe haut einen dann auch noch so richtig vom Hocker: Er überrascht mit technoiden Diskoklängen und einem abstrusem Sirenenausklang, der in eine Trance-Apokalypse mündet. Ein mageres Finale bietet der Jon Hopkins-Remix, der sich praktisch gar nicht vom Original unterscheidet.
Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass „Good Day Today“ dem Hörer einen Ohrwurm einpflanzt, den man gar nicht so leicht wieder los wird: „What a good day today“ singt man sich dann doch sehr gerne zur Motivationssteigerung selbst vor.
Bonusinformation: Ende 2010 hat David Lynch Filme- und Videomacher auf der ganzen Welt dazu aufgefordert, Musikvideos zu seinen Singles zu produzieren. In Zusammenarbeit mit genero.tv und über Publikumsvotings suchte er sich dann aus den Wettbewerbseinsendungen seine Favoriten aus. Diese sind nun auch die offiziellen Videos zu seinen Singles – und die sind verdammt gut.
Preview:
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Tracklist:
- Good Day
- Good Day (Underworld Classic Remix)
- Good Day (Boys Noize Remix)
- Good Day (Diskjokke Remix)
- I Know
- I Know (Sasha Remix)
- I Know (Ratcliffe „Headz in Dark“ Mix)
- I Know (Jon Hopkins Remix)