James Blake – James Blake

James Blake: James BlakeEine verfremdete, quetschige Stimme singt wehleidig auf warmen Orgelsounds und dem rhythmischen, asychronen Klackern einer Maschine. So beginnt das erste Album von James Blake, dem Post-Dubstep-Wunderkind aus Großbritannien. Er ist wohl der erste echte Songwriter, den das basslastige Genre hervorgebracht hat. Gerade mal 21 Jahre alt, ist er nicht nur Musikstudent, sondern auch Pianist mit eigenen Veröffentlichungen („CMYK“, „Klavierwerke“), die für das elektronische Debütalbum eine enorme Erwartungshaltung aufgebaut haben. Und um es kurz zu machen: das Album wird dem Hype gerecht. Mit jedem Hören mehr. Nur ganz anders als gedacht.

Das Album birgt eine entschleunigende Zeitreise. Es hört sich an, als würde jemand alte, obskure Schallplatten einer fiktiven Vergangenheit auf einem defekten Gramophon auflegen. Das ist seltsam für eine Platte, die ein Produzent aus dem Dubstep-Umfeld veröffentlicht, also jener Szene, die sich eigentlich immer ganz weit vorn in der futuristischen Klangästhetik bewegen wollte. Stattdessen driftet der melancholische Kammer-Pop James Blakes in Nostalgie ab: Passagen erinnern an Gospel und die Folkmusik der amerikanischen Südstaaten Mitte des letzten Jahrhunderts. Wehmütig intoniert James Blake die Melodien auf dubbigen Klangräumen, die durch Hall und warmen Bass aufgespannt werden. Sie werden durchzogen von gebrochenen, organisch klingenden Rhythmusstrukturen und Klavier- und Orgelharmonien, Abweichungen und Auslassungen. Häufig legt James seinen brüchigen Gesang mehrstimmig übereinander und wiederholt einzelne Passagen mit kleineren Variationen und gewollten Störungen.

So klingt keine epische Hochglanz-Maschinenmusik – James Blake nimmt viel mehr mit auf eine musikalische Reise in eine eingekapselte Welt der Innerlichkeit, in stumpfen Farben, verschattet, eng. Die durchchoreografierten, live eingespielten Klänge, durch Soundprogramme gefiltert und verzerrt, schaffen eine Atmosphäre distanzierter Intimität. Die bewusste Limitation beim Einsatz musikalischer Mittel und Effekte verweist zurück auf James Blake als Autor und Musiker. So wirken die Balladen komplett aus der Zeit gefallen, verhallt geisterhaft, schwül, träge, statisch – es ist melancholische Sehnsuchtsmusik ohne jede pubertäre Großkotzigkeit, ohne viel Drama, dafür aber bis auf Ausnahmen seltsam antriebsarm und um sich selbst kreisend.

James Blakes eigenwilliger Entwurf mag nicht jedem zusagen, dazu bewegen sich die Tracks selbst für 38 Minuten Laufzeit sehr im streng abgesteckten Konzept. Aber diese Platte ist essentiell. James Blake macht „richtige“ Songs, wie sie es vorher so nie gegeben hat. Und das mit einer beängstigenden Reife und Musikalität, konsequent und so eigenständig, dass ihm nun alle Tore zum Pop-Olymp offen stehen. Ein Meilenstein der Emanzipation des Dubsteps von den Tanzflächen hin zu elektronischem Soul.

Preview:

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Tracklist:

  1. Unluck
  2. The Wilhelm Scream
  3. I Never Learned To Share
  4. Lindisfarne I
  5. Lindisfarne II
  6. Limit To Your Love
  7. Give Me My Month
  8. To Care (Like You)
  9. Why Don’t You Call Me
  10. I Mind
  11. Measurements

(Atlas Recordings / Universal)