Xavier Dolan gibt kaum Interviews. Denn was der 21jährige Schauspieler, Synchronsprecher und Autorenfilmer über sich mitteilen will, das ist in seinen Filmen zu sehen – besonders in seinem sensationellem, autobiographisch gefärbten Debut “J’ai tué ma mère”, das am 3.2.2011 in den deutschen Kinos anläuft.
Im Drama kämpft Xavier als 17-jähriger Hubert mit allen Mitteln um Abgrenzung zur dominierenden Mutter Chantale (Anne Dorval). Er hängt mit seinem Liebhaber beim Action Painting herum und philosophiert bei Nikotin, Sex und Indie-Musik über Kunst, Stil und Philosophie. Sie hingegen arbeitet tagtäglich als kleine Angestellte in der Buchhaltung, hält den Leoparden-Look für das Nonplusultra des Designs und klatscht mit ihren Freundinnen beim Sonnenbaden im Solarium. Er terrorisiert mit verbalen Zickenterror und gezielt gesetzten Kränkungen, sie erstickt ihn mit ihrer Fürsorge und nervt mit ihrer Ahnungslosigkeit und Ignoranz. Die rhetorischen Zusammenstöße werden mit jedem Mal heftiger, die Erziehungsmaßnahmen der überforderten Mutter von Mal zu Mal drakonischer. Gleichzeitig erlebt Hubert die lichte, mondäne Gegenwelt im reichen Elternhaus seines Liebhabers Antonin (Francois Arnault) und die intellektuelle Bestätigung seines dichterischen Talents durch die Lehrerin Julie. Beides wird ihm genommen, als ihn die Mutter weit weg auf’s Internat schickt.
Der Film zeichnet diese fortlaufende Eskalation einer Haßliebe zwischen Sohn und Mutter nach – Abstoßung, die aus dem Bemühen um Annäherung resultiert. Hubert rebelliert gegen den Mief des kleinen Glücks der Vorstadt, er führt mit intellektueller Arroganz einen Feldzug gegen die ins Peinliche abgeglittene Konventionen seiner Mutter. Er liebt lyrisch überschwenglich seinen Schulfreund und ekelt sich vo der eingetrockneten Beziehungslosigkeit seiner Mutter. Die Mutter Chantale hingegen gängelt ihren Sohn fortlaufend mit der Verlustangst einer alleinerziehenden Mutter.
Das ist natürlich großes Drama – nah eingefangen an den Gefühlsstürmen von Erwachsenwerdens. Der Film ist dabei so unglaublich reflektiert, reif und wahr, das viele Zuschauer daran zweifelten, dass ein gerade mal 19-jähriger diesen Film als Autor und Regisseur quasi im Alleingang verantwortet. Denn einerseits ist die Collage-Technik des Film ästhetisch ziemlich weit vorne, andererseits schafft es die Charakterzeichnung von Hubert und Chantale, Sohn und Mutter Momente zu schenken, in denen beide der Anteilnahme des Publikums sicher sein können. Besonders die kanadische Schauspielerin Anne Dorval verleiht der Rolle der geschmähten Mutter Chantale Würde.
Der Film tourte die vergangenenen Jahre erfolgreich über die Festivals. Xavier Dolan hat mittlerweile seinen zweiten Film, den stilsicheren „Les Amours Imaginaires“, abgedreht, der 2010 erfolgreich auf dem Filmfestival in Cannes lief, und arbeitet an weiteren Stoffen. Nebenbei spielt er in anderen französischsprachigen Filmen aus Quebec und synchronisiert Teenie-Stars Taylor Lautner aus der Twilight-Saga.
„I killed my mother“ (Kanada 2009), ab 3.2. in Berliner Kinos