Nahe des Orts, wo Harald Björk aufwuchs und noch heute lebt, tauchen jede Nacht zwei Sendemasten die Natur in „eine niemals endende Disco aus Blinklichtern, die den Himmel und den Wald beleuchten“. Bis heute scheinen ihn diese Masten zu faszinieren. Man findet sie auf seinen Plattencovern, sein Label ist nach dem umliegenden Wald benannt: Kranglan.
Dies lässt vielleicht erahnen, was die eher schwedische House-Szene so besonders macht. Schließlich ist Schweden hinsichtlich musikalischer Exporte doch eher für 80er-Jahre-Popwunder und picklige, gitarrespielende Indierock-Teenies in Röhrenjeans bekannt. Aber genau deshalb haben wir uns entschlossen, Euch drei Labels aus Schweden etwas näher vorzustellen.
Doch zurück zu Harald Björk: Auf seinem Label Kranglan veröffentlichte er bereits 2009 seine „Kranglan EP“, 2010 folgte „Bigfield“, sein Debütalbum, das ihn sogleich etablierte. Emotionaler, melodischer Techno zeichnet ihn aus. Und natürlich das, wie ich es nenne, skandinavische Element.
Was das skandinavische Element ausmacht, verrät Axel Boman. Er ist DJ und Produzent in Stockholm, wo er mit Kornél Kovács und Petter Nordkvist fleißig auf ihrem eigenen Label Studio Barnhus produziert. Auftritte beim Berlin Festival und Veröffentlichungen auf Pampa Records (mit dem tollen Track „Purple Drank“) machten ihn bekannt. Sein Durchbruch war der Underground-Hit „Arcimboldo“. 2010 erschienen die „Brass Fanatic EP“ und „Welcome to Bomtown EP“ auf Ourvision. Seine Musik ist ausgefeilt, seelenvoll und, was Euch freuen dürfte, auf jeden Fall tanzbar.
Die House-Szene in Schweden ist klein, aber es werden immer neue Labels gegründet. Zwischen Stockholm und Gothenburg herrscht eine familiäre Stimmung. Axel meint, dass es in Schweden eine lange Tradition gut produzierter Popmusik gebe. Außerdem fehle die richtige Clubkultur. Deshalb müsse die Musik für sich sprechen, auch wenn sie nicht über eine sündhaft teure Soundanlage läuft. Es sei keine reine Tanzmusik, sondern Tracks sind wie viele kleine Welten, sie sind wie Soundtracks, erzählen immer eine Geschichte.
In Gothenburg sitzt Aniara, ein Soundsystem und Label. Der Name entstand in Anlehnung an ein Versepos des nobelpreisgekrönten schwedischen Schriftstellers Harry Martinson. Dort tüfteln Genius of Time und Dorisburg. Während Genius of Time eine Mischung aus Old School und New School House lanciert, indem er die Sounds alter analoger Geräte mit neuer Technik überarbeitet, experimentiert Dorisburg mit den Möglichkeiten von Klang, Rhythmus und Stimmung und kreiert ruhige, hypnotische Sounds, wie auf seinem 2010 erschienen Album „Sinai Hypnosis“.
Der House aus Schweden ist anders, gerade weil die Szene keinesfalls mit den großen wie der Berliner vergleichbar ist, weil ihre Künstler nicht à la Berlin Calling drauf sind (jaja, böses Klischee), sondern als Familienväter die Biber im Wald vor der eigenen Haustür beobachten. Axel Boman meint: „Ich könnte hier [in Berlin] niemals leben, ich würde kaputt gehen. Auch, weil ich einfach in Schweden zu Hause bin.“ Aber: „Ich stehe voll hinter meiner Musik“, bekräftigt er.
Die drei schwedischen Labels verbindet ein Hang zum Besonderen und etwas Gesetztes, Erwachsenes, fernab von den schnellen, schwitzigen Tanzflächen. Sie sind weder Mainstream noch Underground. Die musikalische Bandbreite ist groß. So wie die kreative Energie der Künstler. Hoffen wir auf mehr vielversprechendes Material aus dem Norden.
Tracks zum Reinhören und Anfreunden:
Modern Fluids – Good Children Make Bad Grownups EP – Studio Barnhus by axelboman
Welcome To Bomtown – Welcome To Bomtown EP – Ourvision Recordings by axelboman
Harald Björk – Cykeltur – B.1 – KLN001EP by Harald Björk
Harald Björk – Kranglan – A.1 – KLN001EP by Harald Björk