So war’s: Skalitzer Nächte #1

In der einst hintersten Ecke West-Berlins, genau dort, wo die Mauer den Blick auf Treptow und den Friedrichshain versperrte und das Gesetz eher Augen zudrückte als genau hinzuschauen, entwickelte sich vor rund 30 Jahren eine ganz eigene Form von Alternativbewegung: das Nachtleben in Kreuzberg. Um die Skalitzer Straße herum gab es zu diesem Zeitpunkt neben Kneipen viele besetzte Häuser und auch der Kiez war von entsprechenden Gestalten geprägt. Nach dem Mauerfall und der Wiedereröffnung der Oberbaumbrücke brach dann plötzlich das Leben einer Innenstadt über den Südosten Kreuzbergs herein. Das gab dem Nachtleben in der Region einen zusätzlichen Schub. Besonders in den letzten Jahren hat sich einiges getan an Deutschlands ältester U-Bahn-Strecke, weswegen wir von BLN.FM mit guter Laune und Klappstullen mal die Gegend für Euch etwas genauer erkundet haben.

Paloma Bar

Direkt wenn man aus der U-Bahn am Kottbusser Tor fällt, landet man schon mit der Nase in der Paloma Bar. Diese befindet sich nicht wie bei Google Streetview in einem Weißglascontainer, sondern auf den Terrassen an der Skalitzer Straße 135. Für uns ein perfekter Ort zum Vorglühen! Gegen 22 Uhr ist die Bar noch recht leer, kann sich aber blitzartig innerhalb der nächsten Stunden füllen. Außer einer Fensterfront mit Sitzmöglichkeiten, einem DJ-Pult und einem Tresen gibt es in der winzigen Stube auch gar nicht viel zu entdecken, da eigentlich alles nur eine Tanzfläche ist. Wir lassen uns direkt an der Fensterfront nieder und werten den Ausblick auf die Skalitzer Straße aus. Regelmäßig gibt es hier Besuch von DJs wie beispielsweise dem Futura-Kollektiv und dementsprechend eine musikalische Beschallung mit irgendwas zwischen House, Minimal und Artverwandtem. Da der Laden sich rasch füllt, was bei der Größe auch nicht lang dauert, schlürfen wir schnell noch den letzten Schluck Bier hinein um unsere Plätze ein paar überglücklichen Italienern zu überlassen und die nächste Lokalität auszutesten.

Skalitzer Straße 135; U-Bahn: Kottbusser Tor; Stil: House, Disco

Bar 7000

Auf unserem Weg kommen wir am Farbfernseher vorbei. Wir beschließen aber erstmal einen zehnminütigen Spaziergang in Richtung Schlesisches Tor hinter uns zu bringen um die Bar 7000 anzutesten. Der Laden in der Skalitzer Straße 54 existiert seit ungefähr einem halben Jahr, wobei er besonders zu den Berlin Music Days durch fettes DJ-Pogamm auf sich aufmerksam machen konnte. Heute ist zwar viel nicht los, aber wir erfahren, dass man sich hier zur besten Frühstückszeit – nämlich am Wochenende jeweils ab 11 Uhr – ordentlich nach dem Feiern stärken kann. Wir bestellen Bier der hauseigenen Marke und schauen uns im recht schicken Ambiente um. Die Plattenspieler stehen etwas einsam herum und auch ansonsten wirkt noch nicht alles so fertig, wie es wohl am Ende mal sein soll. Der Koch ist leider auch nicht da, weswegen wir unsere Michelin-Sterne leider wieder einpacken und uns woanders stärken.

Skalitzer Straße 54; U-Bahn: Görlitzer Bahnhof; Stil: House, Tech-House

Kleine Reise by Dani DoegeKleine Reise

Unser nächster Anlaufpunkt ist die Kleine Reise am Spreewaldplatz 8, direkt neben dem Görlitzer Park. Da es noch kurz vor Mitternacht ist, sparen wir und auch andere early birds sogar den Eintritt und begeben uns gleich in den brechend vollen und komplett zugefließten Kellerklub. Musikalisch stehen hauptsächlich eine Mischung aus House- und Disco-Tracks auf dem Programm, zwischendrin findet sich der ein oder andere Funk-Groove. Seit der Eröffnung Ende 2009 ist die Kleine Reise zum absoluten Kult-Ort mutiert, weswegen ihr auch demnächst ein Interview mit den Initiatoren auf BLN.FM finden könnt. Auf der winzigen Tanzfläche tummeln sich gleichermaßen Touristen und das übliche Berliner Partyvolk, die Menschenmischung ist bunt und alle feiern ausgelassen. Auch wir sind kurz davor uns richtig schön gehen zu lassen, aber der Farbfernseher ruft.

Spreewaldplatz 8; U-Bahn: Görlitzer Bahnhof; Stil: Disco- & Deephouse

Farbfernseher

Schon von Weitem wird klar: im Farbfernseher in der Skalitzer Straße 114 ist einmal mehr die Hölle los. Das einzeln stehende Haus mit der großen Aufschrift (siehe Foto) lockt seit Mitte 2009 mit so ziemlich allem, was zwischen Berliner Underground und weltweiten Stars der elektronischen Szene Rang und Namen hat. Von Mittwoch bis Samstag ist hier jeden Abend Halligalli für einen lumpig geringen Unkostenbeitrag angesagt und so quetschen auch wir uns ins Innere. Der Barbereich ist über eine Treppe zugänglich, von wo aus wir das bunte Treiben beobachten können. Einige Gesichter kommen uns auch bereits aus den vorherigen Lokalen bekannt vor – die vielen Möglichkeiten des Skalitzer Clubhopping scheinen also gern vom Publikum wahrgenommen zu werden. Die Uhr verkündet bereits kurz vor 2 und nachdem uns die nette Barfrau mit Schnäpsen geködert hat, steht uns langsam der Sinn nach etwas deftigerer Musik.

Skalitzer Straße 114; U-Bahn: Görlitzer Bahnhof; Stil: Disco- & Deep-House

:vorWien

Nur 300 Meter entfernt, nahe der Wiener Straße, begeben wir uns am Ende unserer Tour ins :vorWien. Was in der Skalitzer Straße 41 von außen ganz unschuldig nach einer gemütlichen Bar aussieht, ist in Wirklichkeit ein schnuckeliger Kellerklub mit kleinem Außenbereich. Zum traditionellen Kreuzberger Ersten Mai wurde hier bereits gefeiert und während der Fußball-WM der Lauf des Balls auf der Leinwand verfolgt. Während wir das hübsche Ambiente mitsamt eines neuen Kaltgetränkes auf uns wirken lassen, wird eine Etage tiefer zu Dub-Techno und ähnlich finsterem aus der Plattenkiste gefeiert. Das :vorWien ging aus Teilen der Unkul-Crew hervor, die Ende 2008 leider die Alte Weberei auf Alt-Stralau verlassen musste. Die „Carambolage“-Reihe besteht deshalb als Relikt in diesen Räumlichkeiten weiterhin fort. So kann es passieren, dass plötzlich und unangekündigt Monolake hinter den Reglern zu finden ist.

Skalitzer Straße 41; U-Bahn: Görlitzer Bahnhof; Stil: Dub-Techno, Deep-House

Auch wir trampeln kurz über die Tanzfläche um dann festzustellen: die Hälfte der Skalitzer Straße liegt eigentlich noch vor uns. Ein Blick auf die Uhr verrät, dass wir mittlerweile auch seit mehr als fünf Stunden unterwegs sind. Da allerdings kaum noch Energie zum Weiterziehen vorhanden ist, verweilen wir noch ein paar Minuten und einigen uns darauf, Euch in der folgenden Woche mit So war’s: Skalitzer Nächte # 2 den Rest der Wahrheit mitzuteilen.

(Mitarbeit und Mitsaufen: Matthias Hummelsiep, Lukas Boehnke, Fotos: Dani Doege)