Nicolas Jaar ist der Hype des Moments: Groove-Coverstory, hart gesuchte und gefeierte Mitschnitte seiner Auftritte in Panoramabar und Bar25, jeder kann seine Story runterbeten (blutjung, Elite-Uni-Student, New York, Chile, Wolf + Lamb, eigenes Label…). Das wurde wohl selbst dem in Interviews nicht schüchtern auftretenden jungen Mann zu viel – ein Stück nannte er kürzlich “Don’t believe the hype”. Trotzdem haut er eine Veröffentlichung nach der nächsten raus und jetzt gar sein Debütalbum: “Space is only Noise”. Und ich sage: Der Hype ist verdient.
Normalerweise denkt man, für ein Debütalbum zieht man sich ein paar Monate zurück, perfektioniert im stillen Kämmerlein jeden einzelnen Sound, lässt es nochmal von einem erfahrenen Produzenten aufpolieren. Nicht so bei Nicolas Jaar: Seine Stücke werkelt er laut Eigenaussage in nur fünf Stunden zusammen, und bei dem Pensum an Auftritten, EPs und Studienprogramm im letzten Jahr kann er sich auch für das Album nicht mehr Zeit genommen haben. Wie kann diese Musik dabei immer noch so verdammt smart sein?
Vielleicht setzt er sich abends daran, nach getanen Hausaufgaben aus dem Literaturseminar oder nach der letzten Afterhour wieder zurück im Hotel, mit Blick auf die fremde Stadt, in der er gerade ist. In genau diese Stimmung passen nämlich die Stücke auf “Space is only noise”: etwas melancholisch, warm, in getragenem Tempo. Es ist kein Hit darauf, kein zweites „A time for us“ oder „Mi Mujer“. Nein, das hier geht tiefer. Es ist wie ein langer Traum, der einen transparenten Raum aufspannt, in dem man herumtastet und es sich bequem machen kann. Die ersten Stücke sind durch Spielzeugklänge miteinander verknüpft, irgendetwas rollt, tropft, klickt und echot von links nach rechts, und dann ist man schon mittendrin in diesem Sog. Ein sanfter Beat kommt und geht wieder, französische und englische Satzfetzen werden eingewoben, halb gesprochen, halb gesungen, ein halliges Klavier ist zu hören.
Sogar Autotune ringt dieser Mann tatsächlich schöne (!) Klänge ab. In „Colomb“ wickelt er einen mit ganz langgezogenen Tönen einfach ein, lässt einem Zeit, sich daran zu gewöhnen, und so wird dieses Stück schon schnell zu einem Liebling auf dem Album. Weitere hervorstechende Songs sind „Problems with the sun“, das so Momente hat wie Acid auf Tranquilizern, „Balance her in between your eyes“, das klingt, als hätte er früher viel DJ Shadow, Raekwon („Heaven & Hell“) und so gehört, und aus dem etwas dunkleren Titeltrack oder aus „Variations“ könnte man im Remix einen guten Club-Track schnitzen.
Aber vor allem ist es: eindeutig ein Album zum Zuhausehören, perfekt für träge Winternachmittage.
Preview:
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Tracklist:
- Être – Intro
- Colomb
- Sunflower
- Too Many Kids Finding Rain In The Dust
- Keep Me There
- I Got A Woman
- Problems With The Sun
- Space Is Only Noise If You Can See
- Almost Fell
- Balance Her In Between Your Eyes
- Specters Of The Future
- Trace
- Variations
- Être – Outro
(Circus Company/Rough Trade; VÖ: 28.01.2011)