Da es allgemeinhin sehr beliebt ist, zum Jahreswechsel auf die vergangenen Monate wertend zurückzublicken und dabei Kategorien jenseits jeder Logik oder Relevanz zu erschaffen, haben auch wir bei BLN.FM uns mal einige Gedanken gemacht. Das Clubleben (oder Clubsterben?) Berlins, sowohl temporär als auch endgültig, scheint da eine Kategorie zu sein, die nicht allzuoft bearbeitet wird. Nun ja, es wäre sicherlich sarkastische bis pietätlose Leichenfledderei und würde in keiner Form aufbauend gegenüber den Beteiligten wirken. Deswegen möchten wir uns hier schonmal in aller Form für die Top 5 der Berliner Club-Closings 2010 entschuldigen!
Platz 5: Ballhaus Ost
Es sollte sich um einen wirklich interessanten Auftakt handeln, als am 16. Januar 2010 „Im Himmel ist Jahrmarkt“ ausgerufen wurde. Die Party hatte noch gar nicht richtig begonnen, da stand schon die Polizei bereit um das rege Treiben zu beenden. Anlass gaben wohl Beschwerden der – mittlerweile nicht mehr ganz so eingeborenen Prenzlberger – Nachbarn, die im früheren kulturellen Herzen Berlins auch mal ihre Ruhe haben wollten. Nur wenige Parties sollten wesentlich später folgen, wodurch die Feierszene im Prenzlauer Berg nun auf das Icon, welches ähnliche Probleme im vergangenen Jahr glücklicherweise mit viel öffentlichen Engagement lösen konnte, reduziert sein sollte.
Platz 4: My Name is Barbarella
Wie wir auch noch weiter unten erfahren werden, handelt es sich zumeist um ein eher schlechtes Omen, wenn ein Club ganze drei Wochen nach seiner Eröffnung plötzlich wieder unangekündigt die Pforten schließt. Da der Clubbetrieb in leicht reduzierter Form wieder aufgenommen wurde, hoffen wir mal, dass es sich bei dem Barbarella nur um einen äußerst ungünstigen Zufall handelte. Was genau „My Name is Barbarella“ zu bieten hat, wollen wir euch auch nochmal in den nächsten Tagen auf BLN.FM vorstellen. Die sehr vielversprechend angelaufenen Auftakt-Parties und das bisherige Feedback fielen allerdings recht positiv aus, weswegen man sicher auch weiterhin gespannt sein darf.
Platz 3 – WMF
Wäre diese Kategorie nicht frisch erfunden, wäre das WMF sicherlich schon längst einmal aufgetaucht. Nachdem in 20 Jahren diverse Lokalitäten in Berlin bespielt worden waren, konnte das WMF sich zuletzt in der Klosterstraße 44 niederlassen. Nach angeblichem Zwist mit dem Vermieter hieß es ganz plötzlich im März 2010, dass sämtliche Veranstaltungen bis auf weiteres abgesagt sind und der Clubbetrieb eingestellt wird. Fakt ist, dass mit den mäßig laufenden Veranstaltungen letztendlich die Miete nicht mehr bezahlt werden konnte. Die Betreiberfirma meldete Insolvenz an und die bereits eingemieteten Veranstalter dürften dabei zusehen, wie ihre Arbeit und ihre Investitionen die Toilette herunter gespült wurden. Ende 2010 fanden dann die ersten Parties in der neu umbenannten Location statt, die nun The 305 heißt. Leider sieht es nicht danach aus, als ob sie noch etwas mit der früheren Anti-Mainstream-Einstellung des WMF gemein hat.
Platz 2 – Bar25
Eine ganz besondere Clubschließung dürfte in diesem Jahr wirklich überrascht haben: Die Bar25 packte die Holzhütten ein und verschwand tatsächlich nach sieben Jahren Hippie-Hedonismus. Sie polarisierte wie wohl kein anderer Club dieser Stadt und egal ob man letztendlich dafür oder dagegen war, sie hatte ein ganz eigenes Flair, was nicht zuletzt durch eine brilliante Vermarktung entstehen konnte. Allein die Ankündigung der jährlich wiederkehrenden Schließung, die jedesmal die letzte Gelegenheit sein sollte, nochmal drei Tage wach zu bleiben und mit Konfetti im Glas Acid Paulis Namen zu tanzen, erhob den Kult ins Unermessliche.
Dem einen oder anderen mag dabei auch nicht ganz so sehr aufgefallen sein, welch fette Geldmaschinerie heutzutage hinter der Kulisse eines alternativ anmutenden Projektes so stecken kann. Der enorme Ausbau der Bar und die Entwicklung ihres Images wurden oft sehr kritisch betrachtet. So erschien es auch etwas zweifelhaft, ob die undurchsichtige Türpolitik und die Präsenz auf der Megaspree-Demo mit der Forderung „Spreeufer für alle“ wirklich zusammenpassen können. Aber ganz davon abgesehen, steht die Bar25 allein durch die Ankündigungen und die ausufernden Closing-Parties – ob endgültig oder nicht – auf einem verdienten zweiten Platz. Die ersten Gerüchte über die neue Location sind bereits im Umlauf und wir freuen uns schon auf viele weitere Schließungen.
Platz 1: Dice Club
Der absolut verdiente erste Platz in unserer Liste geht aber an den Dice Club in der Voltairestraße 5. Als Anfang 2009 mit großem Tamtam das Opening stattfand, war zwar noch nicht alles ganz fertig aufgebaut, aber da drei Wochen später wegen eines angeblichen Wasserrohrbruchs der komplette Laden für ein halbes Jahr geschlossen wurde, dürfte das wohl kaum jemanden gestört haben. Der fertige Club konnte sich durchaus sehen lassen, wenn auch eine gewisse Nachahmung anderer Lokalitäten wie des Berghain recht offensichtlich war. Die Beschallungsanlage wurde nach und nach verbessert und konnte als durchaus angemessen bewertet werden, und sogar über die meist leidige Garderobensituation hatte man sich Gedanken gemacht. Leider sollte das nur nicht genügen, um im Berliner Feierzirkus ganz vorn mitzufeiern.
Die Parties liefen etwas schleppend an, das gesamte Personal wechselte unter Clubchef Isan Oral erstaunlich häufig. Von vielen Promotion-Aktionen waren wenige gut, die meisten halfen eigentlich nur dabei den Club bei Veranstaltern, DJs und Publikum in ein noch schlechteres Bild zu rücken. Obwohl verschiedenste Stimmen den Boss darauf hinwiesen, dass er sich mit einem Techno-Club für mehr als 1.000 Gäste ein wenig übernommen hatte, sprach dieser weiterhin vom bevorstehenden Erfolg. Bis auf wenige Ausnahmen blieb der dann allerdings aus. Im Mai 2010 war es dann soweit, eine offizielle Schließung gab es nicht, dafür eine Umbenennung in Voltaire 5, wobei der Club unter diesem Namen keine drei Wochen mehr existierte und sang- und besonders klanglos unterging.