“You came to see a rock show / A big gigantic cock show“
Mit diesen Worten wurde der Abend eingeleitet. Ein grauhaariger Herr mittleren Alters betrat gut gekleidet, gepflegt und gestriegelt die Bühne. Er las. Er las wie aus einem Manuskript einer politischen Kundgebung: Trocken, nüchtern, emotionslos. Die Themen, die er behandelte waren Sex, die Klitoris, Selbstbefriedigung, Peaches-Zeug eben. Absurder hätte es nicht anfangen können. Mitten in seinen Analysen wurde er von einer rebellierenden Girl-Band unterbrochen, die damit den ersten von insgesamt 24 noch folgenden Peaches-Songs dahinschmetterte.
Der Vorhang fiel. Breitbeinig saß sie da, Peaches, das Publikum im Hebbel am Ufer applaudierte euphorisch. Die Cock-Show begann.
Als ob Peaches nicht schon allein Stadien in Bewegung versetzen könnte, wurde sie dennoch von exzellenten Performern unterstützt. Einen Fixpunkt stellte die Berliner Band Sweet Machine, die bereits seit einigen Jahren live mit Peaches spielt, dar. Außerdem tanzte auch des Öfteren Danni Daniels über die Bühne. Die transsexuelle Schönheit präsentierte sich erst in weißem, dann in schwarzem Tutu und zwischendurch gerne auch nackt, Brüste und Penis inbegriffen.
Das Inventaraufgebot und die Bühnenarrangements mußten sich neben den außergewöhnlichen Akteuren nicht zu verstecken: Ein Bett, das sich in eine riesige haarige Vagina verwandelt. Wunderschöne Traum-Landschaften. Konzertbühnen und ein sich drehendes OP-Zimmer. Fahrräder im Harley-Davidson-Style und aus Luftballonen. Vaginas, Muschis und Pimmel überall. Also nichts für prüde, zugeknüpfte und verstaubte Gesellen. Hier wurde gefeiert und hier wurden Grenzen überschritten, allerdings im höchst positiven Sinne. Gesellschaft öffne dich und werde frei und unbekümmert und genieße das Leben. So würde wohl die Grundaussage dieses Stückes lauten. Oh, und natürlich: Habe Sex!
Ein zusätzliches Highlight bildeten auch Peaches‘ Kostüme. Pink, weiß, glitzernd und zerstört. Peaches zog sich oft um und mit jedem Mal wurde ihr Kostüm besser. Ihr letztes hatte einen schlaffen zerstörten Penis und explodierte Titten – soviel dazu. Eines sei noch gesagt: An Perücken mangelte es ebenfalls nicht.
Eine Art Handlung verbarg sich übrigens auch hinter all dem Geglitzer und Geschreie. Passend zu Peaches‘ zehnjährigem Album-Jubiläum von „The Teaches of Peaches“ erzählte sie eine zwar offiziell fiktive, aber vielleicht gar nicht so unwahre Geschichte über jemanden, der zuhause sitzt und Songs schreibt, diese im tiefsten Rock’n’Roll-Klischee auf der Bühne aus sich rausschreit und durch (Liebes-) Höhen und Tiefen geht.
Nach zwei Stunden war das Spektakel zu Ende. Und es war tatsächlich bunt, glitzernd, skurril, wegschießend!
Vier mal nur präsentiert Peaches ihre Oper im Hebbel am Ufer (HAU1). Man kann bloß hoffen, dass sie sich das bald nochmal überlegt und ein paar Zusatzshows auf die Beine stellt, denn diese Darbietung sollte man sich einfach nicht entgehen lassen!
Text: Hariklia Woutsas / Fotos: Milan Gonzales