Wer beim Album des kleinsten Kollektives der Welt eine Scheibe voller Tanzflächenfüller erwartet, wird überrascht von einem persönlichen, konzeptartigen Album, über das die beiden Künstler selbst sagen: „’Rebellion der Träumer‘ ist soviel mehr als ein Album für uns… es macht unsere wahre Natur deutlich und zeigt, was wir wirklich sind: Träumer.“
Was in den ersten Hörminuten noch etwas verkopft daher kommt und ein sehr experimentelles Werk erwarten lässt, entwickelt sich beim Durchhören zu einem Album, das teilweise lautmalerisch und geräuschhaft, teilweise melodisch und eingängig Bilder im Kopf weckt und – wie der Titel vorwegnimmt – zum Träumen einlädt. Das Album ist nicht zu vergleichen mit Stücken wie „Tristesse“ oder „Grillen im Park“, mit denen Kollektiv Turmstrasse groß geworden ist. Die subjektiv empfundene Entwicklung, die das Duo beschreibt, ist hörbar und macht deutlich, dass die beiden Wahlhamburger vielseitiger sind als bisher gezeigt.
Mit „Rebellion der Träumer“ lösen sich Kollektiv Turmstrasse aus dem Raster des Clubmusikduos. Assoziationen zu Künstlern wie Trentemøller oder Sigur Rós drängen sich auf – und so gibt das Label als Stilinformation auch „Northern Listening“ an. Trotzdem gelingt es den beiden, sich stilistisch mit der Platte nicht nur neu, sondern auch unverwechselbar zu positionieren. „Rebellion der Träumer“ ist ein groß angelegtes und aufwändig inszeniertes Projekt: Das Album funktioniert als Ganzes am besten, und die durch Interludes verbundenen Stücke folgen einer Dramaturgie.
Parallel zur Tonaufnahme gibt es eine Website zum Album. Die visuell jeweils unterschiedlich gestalteten Klangteaser, die hier zu finden sind, geben einen ersten Höreindruck des Albums. Außerdem werden dort ein Ausblick und erste Ergebnisse der geplanten Kollaboration geboten, in deren Rahmen die Stücke des Albums von verschiedenen Künstlern visualisiert werden. Für das Duo eher ungewöhnlich sind die noisigen Elemente und verbreakten Parts des Albums, die jedoch immer wieder in melodiöse Strukturen aufgelöst werden und mehr wie kleine Ausbrüche als eine musikalische Rebellion wirken. Das Motiv des Träumens ist dagegen klanglich sehr viel deutlicher verarbeitet und macht die Platte zu einer guten Wahl für ruhigere Stunden. So liefert etwa „Schwindelig“ eine akustische Abbildung des Gefühls, das sich beim minutenlangen im-Kreis-Drehen oder beim Herunterrollen von einem grünen Berg einstellt.
Ähnlich bildlich wird in „Heimat“ gearbeitet: Die Melodie wird mit dem Klang von Wellen, Möwenschreien und dem Quietschen eines im Hafen liegenden Bootes vermischt. So zaubern sie auch im grauen Berlin Bilder von Sonne und Meer in die Köpfe der Hörer. Auch Tracks wie „Goldmarie“ scheinen mit den sphärischen Klängen und den Vocals, von denen auf diesem Album für Kollektiv Turmstrasse ungewöhnlich viele zu finden sind, einem Märchen entsprungen. Die Breaks sorgen dafür, dass die Musik nicht ins süße und liebliche abdriftet und geben dem Album Kontur.
Text: Sarah Brosseder
Preview:
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Tracklist:
- Affekt
- Die Sphaere
- Kontakt
- Endlos
- Uneins
- Schwindelig
- Heimat
- Deine Distanz
- Was Bleibt
- Adio Adio