Kele – The Boxer

Kele - The BoxerEnergie. Dieses Wort muss voran stehen, wenn man sich dem ersten Soloalbum von Kele Okereke (na – von welcher Band kommt er noch gleich?) nähern will. „The Boxer“ steigt schließlich nicht in den Ring, wenn er sich seiner Kräfte nicht bewusst und sicher ist. Energie, Kraft, Bewusstsein, Selbstsicherheit – in dieses Feld tritt Kele mit zehn fett produzierten Indietronic-Tracks, die mehr Elektro als Indie sind und da ansetzen, wo Bloc Party aufgehört haben.

Schon als Frontmann seiner früheren Band (leider wird man das wohl so formulieren müssen) brachte Kele außer seinem Charisma auch eine sehr persönliche Poesie mit in Musik und Texte, aus denen immer das in vollen Zügen gelebte Leben sprach. So zeichnete er von sich das Bild einer Person, die sich in alle Höhen und Tiefen mit Sensibilität und Reife begibt – gerade vor dem Hintergrund seiner Biografie mit der Zugehörigkeit zu zwei Randgruppen gleichzeitig kann man davon ausgehen, dass seine Jugend nicht gerade unbewegt war. Die Mitteilung seiner Gefühle wirkte immer authentisch und nah, ohne dass man das Gefühl haben musste, zu weit vorgelassen zu werden.

Genau diese Attitüde hat Kele nun mitgenommen in sein eigenes, kompromissloses Album. Auf „The Boxer“ spricht er den Hörer an wie einen guten Freund, singt über Stärke und Lebenserfahrungen und macht hier und da auch direkte Ansagen: „You are stronger than you think“ (Track 8). Die energiegeladene Musik transportiert seine Botschaften direkt in Herz und Beine – bleib’ nicht in der Ecke stehen, scheint sie zu sagen, beweg’ dich und folge dem Entwicklungsdrang, auch wenn es manchmal weh tut. Dieser Schmerz ist bittersüß.

Nun aber endlich zur Musik: Bässe, Samples, Gitarren auch, Londoner Elektrosounds sowie Keles Stimme und die zweier Gastsängerinnen (was erstens nur spärlich eingesetzt wird und zweitens ganz gut passt) wurden vom „Spank Rock“-Produzenten XXXChange (was sind denn das für Namen?) sehr treibend und eben sehr kraftvoll arrangiert. Nicht alles ist so schnell, tanzbar und knallt so wie die erste Single „Tenderoni“, aber alles strotzt vor individuellem Stil, Experimentierwillen und Entwicklungsfreude. Versatzstücke verschiedener Elektrostile werden auf manchmal seltsam anmutende Weise neu kombiniert – kurze Breakbeat-Samples, hochgepitchte Stimmen wie beim Dubstep (Track 2), indietronische Gitarrenharmonien (Track 7), von allem ist etwas dabei und alles ist am richtigen Platz, irgendwie.

Denn dieses Album ist definitiv ein Grower – man kann sich ihm anvertrauen, auch über die möglicherweise nicht erfüllte Hörerwartung hinaus, dass es einen dorthin mitnimmt, wo es zwar ungewohnt, aber interessant ist. Vielleicht sogar hat Kele schon den ersten Schritt zu einem ganz neuen Weg getan, das wird sich ja noch zeigen.

Auf jeden Fall wird klar, dass hier etwas Neues passiert ist – der Typ will in den Club und nicht ins Radio (dafür sind einige Stücke viel mehr Tracks als Songs), er will seine Musik so machen, wie sie ihm gefällt (und hat glücklicherweise bereits einen Status, wo er das auch kann) und er will vor allem nicht auf Kreativpausen oder andere Komplikationen warten müssen. Da will etwas raus, da wollen Grenzen überschritten werden. Und wenn das auch noch so ansprechend verpackt ist, lässt man sich doch gerne mitreißen.

Preview:

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Tracklist:

  1. Walk Tall
  2. On The Lam
  3. Tenderoni
  4. The Other Side
  5. Everything You Wanted
  6. New Rules
  7. Unholy Thoughts
  8. Rise
  9. All The Things I Could Never Say
  10. Yesterday’s Gone

( Cooperative / Glassnote )