UNKLE – Where Did The Night Fall

UNKLE - Where did the night fallZuerst kommt die Vorfreude: James Lavelle bringt zusammen mit seinem aktuellen Mitstreiter Pablo Clements ein neues Album als UNKLE heraus. Das ist bereits der fünfte „ordentliche“ Longplayer – und der zweite, seitdem sich Richard File von dem Projekt verabschiedet hat, das er von Anfang an begleitet und wesentlich geprägt hatte. Lavelle und File waren urbane Krieger, ihre Musik der Soundtrack zur täglichen Großstadtmelancholie.

Dann kommt der Promozettel: Wieder einmal habe UNKLE eine Metamorphose durchgemacht, und natürlich sei das neue Album ein großartiges Manifest dieser neuen Lavelle’schen Schaffensphase. Beteuerungen, die an das letzte Album von Groove Armada erinnern, gehen nahtlos in ausufernde Beschreibungen der verfügbaren Medienformate über – über die Musik selbst wird kaum etwas gesagt. Zur Vorfreude mischt sich Skepsis.

Auf das Intro folgt das erste Stück: Was ist denn da schon los? „Follow me down“ ist ein indiepoppiger Track mit leicht hysterischen Ethno-Vocals und ebensolchen Samples. Das nächste Stück geht sogar noch deutlicher in Richtung Indierock, die Kooperation mit den Black Angels klingt allerdings ganz gelungen. Trotzdem: Muss das jetzt so weitergehen?

Nein, beim vierten Track ein kurzes Aufatmen: Angebrochene Beats, somnambule Vocals und endlich Elektronik, freundlicher zwar als früher, aber auf jeden Fall klingt das schon eher nach dem, was man von Lavelle wohl so erwartet. Doch, Überraschung, kurz ist das Verweilen an den Stränden des Gewohnten, denn mit „The Answer“ dröhnt nun ein seltsam hippiesker Post-Rock-Song los (warum nur?), und Track 6 hat zwar einen sanft treibenden, zurückgenommenen Beat, klingt aber auch nicht nach UNKLE, sondern nach der netten neuen Indietronic-Band von nebenan.

Weiter, weiter, Track 7 erinnert dann doch ein wenig an die epische Breite der früheren Ashcroft-/Brown-Zusammenarbeiten, hat aber zu wenig Drive. Darauf folgt das zum Intermezzo gekürzte „Heavy Drug“ und anschließend ein Stück mit nettem Beat, aber wieder so hysterischen Vocals. Muss das sein? Da halte ich es doch lieber mit Track 10: „Ablivion“ weckt dank der Stimme von Lavelle höchstpersönlich (der allerdings klingt wie Ian Brown) Erinnerungen an die selige Zeit, in der die Musik von UNKLE noch Urbanität atmete. Es folgt: ein düsterer Bass, ein Karawanenbeat und die nonchalante Stimme von Elle J, alles recht hübsch zusammen. Und schließlich: ein richtiger Breakbeat, endlich, schon im zwölften Track, in dem auch eine ganze Menge harmonischer Synthies zum Einsatz kommen.

Beim vorletzten Stück fragt man sich schließlich, ob der Titel wohl programmatisch gewählt und platziert wurde: „The Healing“ fügt tatsächlich zusammen, was im bisherigen Verlauf des Albums nicht zusammengehört hatte. Hier ergänzen sich die seltsam belanglosen Rock-Passagen mit Lavelles Beats und Elektronika sowie der Stimme von Gavin Clark zu etwas zwar nicht besonders Aufregendem, aber immerhin Stimmigem.

Ganz am Ende fällt dem Onkel doch noch das Ass aus dem Ärmel: Mark Lanegan singt wie eine Mischung aus Vic Chesnutt und William Shatner über einer fast schon respektvollen, pastoralen Soundlandschaft, woraufhin man sich wieder fragen kann, was denn da bitte passiert sein mag – diesmal jedoch mit einem Lächeln im Gesicht.

Gegen die Weiterentwicklung als solche ist natürlich grundsätzlich nichts zu sagen – schließlich soll und will man ja selbst mitwachsen an den Prozessen, durch die die Künstler unseres Vertrauens freundlicherweise an unserer Statt gehen. Bei James Lavelle scheint sich der Entwicklungsprozess als ständige mosaikartige Umgestaltung seiner künstlerischen Kooperationen und der daraus entstehenden Werke zu gestalten – mosaikartig deshalb, weil neue Mitstreiter auch immer wieder neue Klänge bringen und man Lavelles konkreten Einfluss trotzdem deutlich heraushören kann. Das neue Album ist vielleicht ein bisschen wie ein Abendessen mit einem guten Freund, der seine seltsame neue Freundin mitbringt: Am Anfang ist man befremdet und fragt sich, wohin das jetzt noch führen soll, im Laufe des Abends wird man aber hoffentlich merken, sofern man sich darauf einlässt, was der Freund denn an ihr schätzt.

Preview:

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Tracklist:

  1. Nowhere
  2. Follow Me Down (feat. Sleepy Sun)
  3. Natural Selection (feat. The Black Angels)
  4. Joy Factory (feat. Autolux)
  5. The Answer (feat. Big in Japan)
  6. On a Wire (feat. ELLE J)
  7. Falling Stars (feat. Gavin Clark)
  8. Heavy Drug
  9. Caged Bird (feat. Katrina Ford of Celebration)
  10. Ablivion
  11. The Runaway (feat. ELLE J)
  12. Ever Rest (feat. Joel Cadbury of South)
  13. The Healing (feat. Gavin Clark)
  14. Another Night Out (feat. Mark Lanegan)

(Surrender All / Indigo)