Acid Washed: Die süße Romantik des Verfalls

Acid Washed

Acid Washed sind das Pariser Duo Andrew Claristidge und Richard D’Alpert. Beim Hören ihres Erstlings „Acid Washed“ (Record Makers) könnte man annehmen, dass sie den ganzen Tag Musik machen. Stimmt nicht: beide gehen noch einem regulären Job nach. Aber vielleicht ist es gerade der Umstand, dass sie nicht auf allen Kanälen präsent sind, der ihre Songs so einzigartig macht: klassische elektronische Disco, angereichert mit HipHop und Detroit-Einflüssen, die sich BPM-Zwängen und formelhaften Arrangements verweigert. Die Platte beinhaltet einige Gastauftritte: Dakar (vom ehemals recht bekannten Duo Dakar & Grinser) und die Sängerin Barbara Panther aus Berlin. Der ausladende, breite Sound der Platte kann zu Teilen Xaver von Treyer zugeschrieben werden, der die Platte coproduzierte und abmischte. Joey Hansom traf Andrew und Richard vor ihrer Show im April. Am 2.6. spielen sie in München – mehr Termine erfahrt Ihr auf ihrer MySpace-Seite.

Acid Washed im Interview:

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Ich habe nach euch gegoogelt und konnte nichts anderes als Acid Washed von euch finden. Was habt ihr vor dem Album gemacht und wie kamt ihr mit eurem Label Record Makers in Kontakt?

Richard: Wenn Du nichts über mich gefunden hast, dann liegt’s daran, dass ich nicht berühmt bin. Es gibt wirklich keinen Grund, warum du etwas über mich finden solltest – selbst wenn es so aussieht, als ob jeder heutzutage über Google auffindbar wäre.

Mein Vorname ist wirklich Richard – aber auf Pressefotos zeige ich nie mein Gesicht. Ich arbeite für die französische Filmförderung in Paris und dort verbindet man mit Produzenten elektronischer Musik eher Negatives. Das hätte was mit Nachtleben zu tun, und Techno = Drogen.  Außerdem gehört es auch zur Techno-Geschichte, im Underground zu bleiben. Da fühle ich mich wohl bei.

Andrew: Es ist unser erstes Album. Wir hatten schon zuvor Musik zusammen gemacht, aber das ist unsere erste richtige Veröffentlichung. Wir feierten, sind von Club zu Club gezogen. Wir lieben das Ausgehen. Und in einem Pariser Club haben wir dann Leute von Record Makers getroffen…

Richard: Nein, es war nicht in einem Club. Sie gehen gar nicht so oft aus. Aber sie hatten was von unseren Parties mitbekommen. Wir waren ja zwei Jahre lang als Acid-Washed-DJ-Team unterwegs. Und ein Freund von uns arbeitet für Record Makers. Dann passierte es plötzlich ganz schnell. Wir gaben ihm ein paar Demos und Record Makers fand sie von Anfang an super. Anschließend half das Label, unsere Musik in die richtige Richtung weiterzuentwickeln. Sie konzentrieren sich sehr auf die einzelnen Künstler – alles sehr menschlich, einfach und angenehm.

Das Album ist elektronische Disko, ganz in französischer und italienischer Tradition. Aber da sind auch noch einige HipHop-Einflüsse – was bedeutet amerikanischer HipHop für zwei Franzosen wie Euch?

Richard: Für mich persönlich steht Hiphop für die frühen’90er. HipHop war wirklich richtig groß in Paris und Frankreich. Absolut vorherrschend, richtig Mainstream! Deshalb bin ich damit aufgewachsen.

Andrew: Wir hören eine Menge unterschiedlicher Musik – und wenn wir selbst Musik machen, dann denken wir nicht an einen speziellen Stil, an dem wir bedienen wollen.

Richard: Wenn man von einer allgegenwärtigen Kultur umgeben ist,  wird man auch als Künstler etwas davon aufnehmen.  HipHop ist Teil von uns. Und dann kommt es offensichtlich irgendwann auch wieder raus.

Acid Washed by Joey Hansom

Klingt so, als ob das nur einer der vielen musikalischen Einflüsse ist, die es auf Euer Album geschafft haben. Mal technisch betrachtet: Welche Geräte habt ihr benutzt? Produziert ihr analog oder digital?

Andrew: Das meiste, was wir benutzen, ist analog. Wir starteten mit alten Geräten: Drum Machines, Drum Pads, Synthesizer.

Richard: Wir haben viel damit herumgespielt. Musik ist Spaß.

Andrew: Ja, das ist der Grund, warum wir analoge Geräte benutzen. Es macht Spaß Knöpfe zu drehen, viel mehr als nur Computerprogramme zu benutzen. Zum Abmischen haben wir dann ProTools genutzt. Alles Kreative passierte aber analog.

Richard: Der Hauptgrund ist aber der Klang. Es kling einfach besser. Viel kraftvoller.

Ja, das hört man. Der Klang ist bemerkenswert breit und fett.

Andrew: Genau das wollten wir. Einen Klang, der auf den Punkt kommt. Wir haben Klangforschung betrieben, weil es wichtig für uns ist, den richtigen Sound herauszubekommen. Software-Klänge klingen leicht plump und müllig.

Richard: Dazu kommt, dass ich von der Software-Szene genug habe. Ich gehöre wahrscheinlich zur letzten DJ-Generation, die Vinyl spielt. Nach mir gibt’s nur noch den Laptop. Ein Typ und ein Laptop.  Das ist wahnsinnig unsexy.

Wie sieht Euer Live-Aufbau aus?

Richard: Wir haben Laptops, vier Synthesizer und Hardware auf der Bühne. Was wir mitnehmen können, bringen wir auch an: Micro-Korgs und richtige Instrumente, eine Menge Percussion – Kongas, Bongos, Flöten. Wie touren mit Satch Hoyt, der für Grace Jones Percussion gemacht hat, und wir werden begleitet vom großartigen Keyboard-Spieler Christophe Chassol, der mit Phoenix und Sebastian Tellier unterwegs war.

Acid Washed's self-titled debut album

Ihr habt schon kurz die Verknüpfung von Techno-Kultur und Drogengebrauch erwähnt. Das Cover Eures Album zeigt vielfarbige Münder mit kleinen herzförmigen Tabletten auf der Zunge. Bedeutet das, dass eure Musik psychedelisch ist?

Andrew: Also ich würde sagen, die Musik ist wirklich piskadelic (Anm. der Redaktion: So hat er es ausgesprochen!) – es sind analog klingende Abfolgen mit vielen Effekten und langen Breaks…

Richard: Also ich teile die Meinung nicht. Unsere Musik ist richtig melancholisch. Melancholie beschreibt unseren Sound viel besser. Zum Beispiel der Eröffnungstrack “General Motors, Detroit, America”. Es ist ein Track über das Ende der Welt. Über das Ende einer Welt, die wir als Kinder kannten. Musiker aus Detroit haben einen großen Einfluß auf diesen Track: Jeff Mills, Underground Resistance, Carl Craig. Ihre Musik war sehr melancholisch, sehr kraftvoll – und sie war nie besonders vergnüglich. Sie ist romantisch. Da sind eine Menge Parallelen zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts, der vor-romantischen und romantischen Musik und Detroit-Techno. Nimm den Bolero von Ravel (singt), pack eine Kickdrum hinzu und du hast fast „Tobacco Ties“ von The Martian.

Deshalb bin ich der Meinung, dass das Album eher melancholisch als psychedelisch ist. Da ist kein Verweis auf Drogen in der Musik angelegt. Auch wenn da ein reinigendes, schamanisches Element ist, welches natürlich mit Drogen in Verbindung gebracht werden kann. Aber um es klarzustellen: Wir haben keine Drogen genommen um das Album zu machen. Ohne arrogant klingen zu wollen – ich glaube nicht, dass man Musik mit dieser Präzision machen kann, wenn man drauf ist. Aber bitte nicht missverstehen – wir haben auch unseren Spaß, mögen Party und Alkohol. Aber wir komponieren nicht Musik auf diese Weise.

Danke für das Interview. Gibt es noch etwas, das ihr sagen wollt?

Richard: Ja! Ladet das Album aus dem Netz – auch kostenlos. Das ist okay. Wir sind für Filesharing und haben das jahrelang gemacht. Es ist das Beste, was der Plattenindustrie passieren konnte – wir erreichen ein neues fantastisches Zeitalter der Musik! Menschen machen einfach, was sie wollen – ohne kreativ eingegrenzt zu sein. Die Plattenindustrie ist tot!

(Übersetzung: Alexander Koenitz)