Wenn etwas die jugendliche Phase des Sturm und Drang hinter sich gelassen hat und damit auch deutlich weniger öffentlich auf sich aufmerksam macht, ist es nicht gleich tot oder irrelevant. Im Gegenteil: Idealerweise entwickelt es Reife und Komplexität und gliedert sich irgendwie in den Mainstream ein, um diesen vielleicht ein wenig zu verändern. Konkret geht es hier um Drum&Bass, noch konkreter um die aktuelle Folge 52 der „Fabric Live“-Compliation. Denn in dieser Reihe erscheinen auch immer wieder hervorragende Drum&Bass-Mixe, die sich im Laufe der Zeit zu einem immer umfassenderen Lexikon dieses Stils zusammenfügen. Die neueste Ausgabe hat nun Zero T live gemixt und liefert damit einen sehr ansprechenden Überblick über die Vielseitigkeit des D&B.
Zero T kommt zwar aus Dublin, das Fabric als Referenzclub für diverse analoge und elektronische Strömungen steht jedoch in London. Und genau da bringt die Compilation ihre Hörer hin. In einer von Backsteinwänden eingefassten Seitenstraße hält ein Taxi, Leute steigen ein, es geht durch Viertel, in denen das Leben auf der Straße stattfindet. Durch die geöffneten Fenster hört man Freestyles – Zero Ts Mix beginnt mit einer ganzen Reihe von hip-hoppigen Tracks, deren Beats sehr tanzflächennah rollen und deren Bässe haushoch aufragen. Das erste Drittel der 29 Tracks ist ziemlich am Boden verhaftet.
Irgendwann aber singt jemand, und dann auch noch von „walking on the stars“: Am Horizont bekommt der Sound plötzlich neue Nuancen, man kann die Sterne sehen, die Musik wird langsam dunkler, abstrakter, aber auch leichter. Das Taxi hebt förmlich vom Boden ab, steigt ein Stockwerk ums andere aus den Straßenschluchten empor und nimmt in angemessenem Abstand von den Londoner Dächern eine angenehme Reiseflughöhe ein. Das zweite Drittel der CD ist spacig, abstrakt, melodiöser und deutlich harmonieorientierter. Gerade in London geht Fliegen ja angesichts des Straßenverkehrs sowieso viel schneller.
Doch da die Passagiere immer noch ins Fabric wollen, muss der Taxifahrer im letzten Drittel wieder zur Landung ansetzen. Diese ist natürlich ebenso sanft wie das Abheben; behutsam sinkt das Gefährt und verlangsamt, ein sehr entspannter Downtempo-Break bringt alle wieder zurück auf die Erde. Das Taxi setzt auf, die Türen werden geöffnet, Rauchschwaden entweichen und die aus dem Club nach außen dringenden Beats mischen sich in den Klang. Gerade liegt ein Remix von Sias „Little Man“ auf, zu dem man einfach tanzen muss. Also rein und noch das Ende von Zero Ts Set sehen, bei dem die Drums schließlich ein wenig gerader und die Bässe wieder lauter werden, um die Hörer ganz entspannt in die Clubnacht zu entlassen.
Zero T wollte laut Promo-Zettel mit seinem Fabric-Mix zeigen, welch ein breites Spektrum unterschiedlicher Strömungen Drum&Bass in sich vereint, um das zugegeben etwas betagte, aber eben immer noch sehr lebendige Genre auch wieder einem neuen Publikum zugänglich zu machen. Das dürfte ihm mit der „Fabric Live 52“ gelingen, denn es wechseln sich rap-, melodie-, und house-lastige Tracks in einem sehr angenehmen Flow ab, was beim Hören sehr viel Freude macht. Die Produktion bleibt dabei über die gesamte Plattenlänge transparent und von wohldosierter Komplexität. Alles in allem also eine ziemlich unaufgeregte, zeitgemäße Zusammenstellung – so nämlich kann das aussehen, wenn eine Strömung zur Reife gelangt und dadurch auch Zeitlosigkeit gewinnt.
Preview:
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Tracklist:
- Paradox – A Certain Sound (Alaska & Paradox Lost DAT Mix) [Paradox]
- Kabuki feat. Jeru The Damaja – Watch Your Step (Need For Mirrors VIP Mix) [V]
- Ulterior Motive – Seven Segments [Unreleased]
- Slam – Positive Education (Zero T Remix) [Soma]
- Lynx & Kemo – You Are Being Lied To [Detail]
- Icicle – Ocular [Shogun Audio]
- Zero T feat. Script – Guessing Games [Footprints]
- System – Speed of Light [Footprints]
- Lemonde – Heaven [Valve]
- Jubei – Distrust [Shogun Audio]
- Break – Wine [Symmetry]
- All Thieves – Stars (Zero T Remix) [Footprints]
- Need For Mirrors – Sick In The Head [Footprints]
- Rockwell – Everything (& U) [Darkestral]
- Artificial Intelligence & Krust – Audio Assault [V]
- Fracture & Neptune – The Limit [Astrophonica]
- Dillinja – When Love [Valve]
- Zero T feat. Steo – Walk Away (Zero T Reprint) [CIA]
- Genotype – Dubsoca [Unreleased]
- Commix – Japanese Electronics (Instra:mental Remix) [Metalheadz]
- SP:MC & Joker D – Down [Unreleased]
- Icicle – Xylophobia [Shogun Audio]
- Compound One – Pum Pum Beat [Compound One]
- Sia – Little Man (Exemen Remix) [Long Lost Brother]
- Ation – Missing You [Unreleased]
- Equinox – Space Dub [Scientific Wax]
- Marcus Intalex – 21 [Soul:r]
- Calibre – Reach [Unreleased]
- Reds feat. Tehbis & Fee Lups – Green Lanes [Footprints]
10 years of Zero T (Drum & Bass Arena) by Zero T
(Fabric)