Gonjasufi – A Sufi & A Killer

24719_342836391908_550151908_3659414_5738325_n

Warp – Weird And Radical Projects. Dass das Label seinem Namen und dem ihm zugrunde liegenden Akronym stets gerecht wird, ist angesichts der Fülle an eintönigen Alben, die den Musikmarkt überschwemmen, immer wieder eine freudige Überraschung. Völlig berechtigt ist das Label heute eines der bedeutendsten im elektronischen Genre. Hat es doch innovativen Künstlern wie Autechre und Aphex Twin, aber auch Nightmares on Wax oder Anti-Pop Consortium eine Heimat geboten. Vor einem Monat nun brachte Warp das Debutalbum von Gonjasufi „A Sufi and a Killer“ heraus, das große Chancen hat, eines der ganz großen und besonderen Alben dieses Jahres zu werden.

Gonjasufi heißt in Wirklichkeit Sumach Valentine Ecks und lebt mit seiner Familie in der Wüste Kaliforniens nahe Las Vegas. Als behüteter Sohn koptischer Christen aufgewachsen, verfiel er als junger Mann dem – wie er selbst sagt – „kompletten Drogen-Programm“. Die Hinwendung zum Islam, vor allem zu dessen spiritueller Ausrichtung, dem Sufismus, und zum Yoga (mittlerweile verdient er als Yogalehrer seine Brötchen) brachten die Wendung in seinem bewegten Leben.

Und nun dieses Album, dieses vor Kreativität strotzende, wilde, verrückte, radikale Album, das auch nach x-maligem Hören immer wieder Neues zu entdecken bietet. Musikalisch lange eher dem HipHop verbunden, sprengt Gonjasufi hier sämtliche Stil-Grenzen. Da werden HipHop-Beats mit wabernden Orgel- und Akkordeonklängen gekreuzt, Soul-Klänge treffen auf 60er-Jahre-Garagenrock, indische Sitarklänge werden geloopt, spanischer Gesang oder türkische Musik gesampelt. Wird der Begriff „Crossover“ oft etwas einseitig mit dem Verschmelzen von Rockmusik mit anderen Genres gleichgesetzt, könnte man ihn hier wohl umso passender einsetzen: Ja, das hier ist Cross-over, Cross-times, Cross-styles in Reinstform.

Dabei geht Gonjasufi mit verspielten Humor und gleichzeitiger Tiefgründigkeit vor, wie schon das Intro andeutet: „Bharatanatyam“ heißt es, womit einer der ältesten indischen Tänze bezeichnet wird; zu hören kriegt man hingegen indianischen Stammesgesang. Der Track „Ancestors“ kreuzt Sitar- mit Akkordeonklängen und kommt auf einem an Massive Attack erinnernden langsamen Beat daher. „Sheep“ wiederum könnte glatt einem sanften LSD-Trip der Flower-Power-Zeit entsprungen sein. „SuzieQ“ ist reinster Garagenpunk und zitiert Iggy Pops „I wanna be your dog“, während „Stardustin“ mit seinem Orgelsample an Iron Butterfly’s „In-a-gadda-da-vida“ denken lässt. Das großartige „Kowboyz & Indians“ verwendet ein Sample der spanischen Flamenco-Gruppe „Las Grecas“, und für das soulige „Change“ durfte Isaac Hayes herhalten. Mit „Duet“ schließlich bekommt man einen Song zu hören, der Blues und Psychedelia kreuzt, ein wunderbarer Song, der zum träumen und lieben einlädt…

Jeder Track wartet mit neuen Zitaten, neuen Klangcollagen und Experimenten auf. Oft klingen die Samples und Loops dreckig, kratzig, übersteuert und drohen die Hörnerven zu strapazieren – ebenso Gonjasufis Stimme, die rau, heiser rüberkommt. Jedoch gibt dieser kratzige Sound dem Ganzen eine besondere Intensität und Eindringlichkeit: Dies ist keine leichte Kost für Ohr und Gehirn, will es aber auch nicht sein.

Die Tracks sind allesamt eher kurz, könnten aber selbst mit doppelter Länge nicht langweilig werden. Eher ist es so, dass man nach Hören des neunzehn Tracks starken Albums zwar ob der vielen Eindrücke erschöpft, aber hungrig nach mehr zurückbleibt.

Es bleibt zu hoffen, dass Gonjasufi sich nach diesem großartigen Debut nicht gänzlich in die Hitze der Wüste Kaliforniens zurückzieht und nichts mehr von sich hören lässt. Bitte mehr davon!

Preview:

[podcast]/media/audio/previews/20100525_PREVIEW_GONJASUFI.mp3[/podcast]

Tracklist:

  1. Bharatanatyam
  2. Kobwebz
  3. Ancestors
  4. Sheep
  5. She Gone
  6. SuzieQ
  7. Stardustin‘
  8. Kowboyz&Indians
  9. Change
  10. Duet
  11. Candylane
  12. Holidays
  13. Love Of Reign
  14. Advice
  15. Klowds
  16. Ageing
  17. DedNd
  18. I’ve Given
  19. Made

(Warp)