Hot Chip – Pop aus der Heim-Manufaktur

Hot Chip

Ihr neues Album „One Life Stand“ fuhr gute Kritiken bei Musikjournalisten ein. Ihre Gigs waren blitzschnell ausverkauft. Mittlerweile tauchen Mitglieder der Band sogar in Klatschmagazinen auf, die beim Friseur ausliegen.  Trotzdem lassen sich die fünf Jungs aus England nicht von ihrem Erfolg blenden und machen ihr eigenes Ding. BLN.FM-Redakteur Tobey traf Felix und Owen von Hot Chip vor ihrem Konzert im Berliner Astra und sprach mit ihnen über ihren Erfolg, Casting-Shows und natürlich über das Album.

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Das Interview zusammengefasst:

Euer erstes Album kam 2004 auf Moshi Moshi heraus. Das zweite, „The Warning“, kam dann auf DFA raus. Was dachtet ihr, als das renommierte Label DFA euch haben wollte?

Felix: Moshi Moshi ist ein unabhängiges Plattenlabel aus London. Wir wurden Freunde und sie machten uns gut bekannt. So hatten wir schon einigen Erfolg. Andere größere Labels kamen und boten uns Verträge an. Es war schön, dass James Murphy von DFA unsere Musik gefiel und er sie für sein Label haben wollte. Das gab uns Zuversicht.

2008 erreichte die Single „Ready For The Floor“ Platz 6 der UK-Single-Charts. Wann habt ihr realisiert, dass ihr mal so etwas wie berühmt sein könntet?

Owen: Wir wollte eigentlich nie berühmt werden, sondern einfach nur unsere Musik machen. Natürlich haben wir uns auch über den Erfolg der Single sehr gefreut. Schließlich machen wir Popmusik – und Popmusik will populär sein. Darum waren wir auch davon angetan, dass der Song populär wurde.

Wie sehr kümmert ihr euch um die geschäftlichen Angelegenheiten der Band?

Felix: Wir sind erwachsen und machen schon über viele Jahre zusammen Musik. Wir überlassen es nicht anderen, sich um uns „zu kümmern“, wir sind nicht die Sorte Leute, die glücklich sind, wenn andere ihre Karriere bestimmen. Da sind wir Kontrollfreaks, die immer Bescheid wissen wollen, was gerade in allen Bereichen läuft.

Owen: Wir gestalten unser künstlerisches Erscheinungsbild selbst, wir bestimmen über die Remixe, und wir reden bei den Videos mit.

Wie lange habt ihr gezögert, als ihr das Angebot bekommen habt, für ein Major-Label wie EMI zu veröffentlichen?

Hot Chip
Felix: Zu diesem Zeitpunkt bot sich noch Domino Records an, bei denen wir gute Freunde haben und für die Alexis bereits ein paar Jahre gearbeitet hat. Wir hatten zwei, drei Alternativen, aber wir benötigten dann jemanden, der auch Vorschüsse zahlen konnte, damit wir unsere Jobs aufgeben konnten und richtig auf Tour gehen konnten, um das Album bekannt zu machen. Diese Art von Unterstützung können nur Major Labels anbieten.

Die meisten Produzenten elektronischer Musik produzieren ihre Songs alleine. Ihr seid gleich fünf Leute. Wie funktionierte eure Zusammenarbeit bei der aktuellen Platte „One Life Stand“?

Felix: Wir haben umso mehr mit anderen zusammengearbeitet, je erfolgreicher wir wurden. Wir hatten diese Möglichkeit mit Peter Gabriel, Robert Wire und vielen mehr. Der Schlagzeuger Charles Hayward (The Heat) und Leo Taylor von The Invisible spielen mit. Streicher wurden von Geese eingespielt, die Steel Drum von Fimber Bravo. Es ist alles eine Frage der Zeit und der Kontakte, die du im Laufe der Zeit als Musiker auf Tourneen aufbaust.

Kommt es dabei dann manchmal zu Meinungsverschiedenheiten? Wie löst ihr diese?

Felix: Natürlich haben wir manchmal Meinungsverschiedenheiten, schließlich sind wir ja fünf verschiedene Leute in der Band. Wenn wir über alles einer Meinung wären, dann wäre es schon ziemlich seltsam. Das Ergebnisse sind auch interessanter, wenn wir unterschiedliche Meinungen haben. Alexis und Joe sind aber definitiv die zentralen Personen in der Band und was sie sagen, das gilt. Und weil Joe der Produzent ist, bestimmt er, in welche Richtung sich ein Song entwickelt.

Owen: Manchmal entscheidet sich auch einfach aus der Musik, ob eine Entscheidung richtig war, ob’s richtig klingt, es passt oder abschreckt.

Hot Chip - One Life Stand

Welcher ist eurer Meinung nach der am meisten unterbewertete Song auf dem Album?

Felix: Keine Ahnung, ob da irgendeiner unterbewertet ist. Es gibt da zwei, drei Songs, die keine Dance-Songs sind. Einer davon ist „Alley Cats“, welcher meiner Meinung nach einer der besten Songs ist, die Alexis und Joe je geschrieben haben, und es ist total blöd, wenn die den Leute abschreiben, weil er eben nicht zum Tanzen ist. Solche Leute haben eine recht enge Idee, worum es bei unserer Band geht.

Es gibt ja einige langsamere Songs auf Eurer Platte…

Felix: Ganz ehrlich, das sind nicht wirklich langsame Songs. Gut, da gibt es „Keep Quiet“, das zart klingt, aber nicht wirklich langsam ist, sondern eher  atmosphärisch und düster. Da ist noch das akustisch klingende „Slush“ und „Ballett“ – aber das ist keine radikale Abkehr von unseren alten Alben. Es ist ein Mix unterschiedlicher Stimmungen. Es ist nicht so, dass unsere Alben nur aus Tanzmusik bestehen, bloß weil wir auch als DJs und Remixer unterwegs sind.

Manche Leute sagen, Autotune ist eins der abgenutztesten Elemente in der Popmusik. Wieso benutzt ihr es auch – wie bei „I Feel Better“ auf eurem Album?

Owen: Joe singt darauf eher weich und Autotune wurde eingesetzt um die Stimme zu verdichten. Fast jeder benutzt heutzutage Autotune. Es kommt darauf an, ob man es als Effekt oder als heraustehendes Merkmal benutzt. Es ist wie bei jedem Klang – er lässt sich gut und schlecht einsetzen.

Viele Pop-Gruppen werden ja für bestimmte Zielgruppen gemacht. Wieviel an Hot Chip ist konstruiert und wieviel Einfluss habt ihr darauf, wie euer Albumcover aussieht?

Felix: Wir sind so eine Art Heimindustrie. Natürlich bekommen wir viel Input von Freunden und dem Management. Aber wir mögen es, selbst zu entscheiden, was wir wie machen wollen. Andersrum würden wir es auch nicht machen wollen.

Owen: Die Gemachtheit von Popmusik ist offensichtlich, weil es offener passiert. Rock hat die gleiche Maschinerie, nicht ganz so offensichtlich. Du gibst eine Anzeige nach einem Rock-Schlagzeuger in Musikzeitschriften auf, um eine Rockband aufzumachen, und du packst das passende Rock-Cover dazu – und so läufts weiter.

Wo wir schon über Casting-Shows sprechen: Was wolltet ihr denn als Kinder werden?

Felix: Ich wollte ein Autor oder Schauspieler werden. In Schulaufführungen wollte ich immer mitspielen.

Owen: Ich wollte immer Dinge „bauen“.

Ihr habt mal gesagt, dass ihr keine Szenen mögt. Ihr seid aber doch recht erfolgreich in der Schwulenszene. Wie kommt ihr damit klar?

Felix: Wir meinten damit nicht bestimmte Kulturen, sondern musikalische Stämme. Also Leute, die beispielsweise nur Drum’n’Bass oder andere Musikrichtungen hören. Heutzutage tendieren die Leute aber dazu, ein bisschen von dem und ein bisschen von dem zu mögen. Wir finden es toll, wenn wir in der Schwulenszene erfolgreich sind – auch wenn wir bis jetzt noch nichts über den besonderen Erfolg wussten.

Owen: Das macht aber schon Sinn, weil wir musikalisch nicht engstirnig sind – und die Schwulenszene ist ja auch sehr aufgeschlossen gegenüber verschiedenen Musikrichtungen.

Das Album „One Life Stand“ ist seit Frühjahr erhältlich. Auswahl Festival-Auftritte im Sommer 2010: 17.6.-19.6. Sonar/Barcelona, 16.-18.6.2010 Melt!-Festival Gräfenhainichen,  20./21. August BootBooHook in Hannover