It’s raining MEN! JD Samson im Interview

JD SamsonJD Samson ist Mitglied der „underground electro feminist performance artists“ Le Tigre. Doch nicht lang nach ihrem Major-Label-Unterfangen 2004 sprachen Gerüchte von einer Auflösung der Band. Stimmte nicht ganz. Kürzlich arbeiteten die drei mit Christina Aguilera für deren neues Album zusammen. JDs größte Aufmerksamkeit gilt im Moment MEN, einer neuen Band, die weiterhin queere Themen in catchy, tanzbare Popbeats packt. MEN eröffneten die Peaches-Tour 2009 in den USA und spielen im Moment in ganz Europa. Am 20. April stoppen sie im Festsaal Kreuzberg in Berlin. Joey Hansom haben uns mit JD über die neue Tour unterhalten, über Christina Aguilera, Amanda Blank, ein MEN-Album und die neue Riot Grrrl-Sammlung der New York University. Den Interview-Text gibts auch auf Englisch auf der Expatriarch-Seite.

JD Samson am Telefon! (englisch)

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Wie lief die Tour bisher?

Großartig. Wir spielen gerade auf einige Shows in Frankreich auf einem feministischen Musikfestival, das Les femmes s’en mêlent heißt. Unsere Show in Berlin ist auch in das Festival eingebunden.

Was ist euer Ansatz bei diesem Frauenfestival? Wenn man etwas spezifisch als “Frauen” oder “feministisch“ labelt, hören manche Menschen auf sich dafür zu interessieren. Wie steht Ihr zu Gender Pride ohne Euch von einem größeren Publikum zu enfernen?

Für uns ist es nicht besonders schwer. Unsere Art von Feminismus wird von all unseren politischen Überzeugungen getragen, genauso wie unser Einstehen für die Gleichheit der Geschlechter. Daher lieben wir es auf Frauen-, Queer- oder Anti-Rassismus-Festivals aufzutreten – egal wo nun genau. Es liegt mehr an den Veranstaltern. Sie laden uns zum Beispiel ein, weil wir weibliche Mitglieder in unserer Band haben. Ich denke, es ist auch wichtig über die unterschiedlichen Frauen-Communities in den verschiedenen Ländern nachzudenken und darüber, was “Feminismus” in dem jeweiligen Land bedeutet. Wir wollen ganz klar von der Geschlechter-Dualität wegkommen. Gleichzeitig wollen wir, dass Frauen Männern gleich gestellt werden.

Die Texte in „Credit Card Babie$“ haben echt meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Wobei ich mir nicht ganz sicher bin, ob ich die Bedeutung richtig erfasst habe: „Why procreate / and overpopulate / there’s insecurity / questioning our liberty”. Es scheint darum zu gehen, dass nicht das gleiche Recht zur Heirat und Adoption für gleichgeschlechtliche Paare gilt. Bin ich da auf der richtigen Spur?

Also ursprünglicher Weise wollten wir einen Song darüber schreiben, wie hart es ist, queer zu sein und ein Baby zu bekommen, weil man nicht einfach sagen kann: „Oh, du hast gerade deinen Eisprung, lass uns Sex haben und Babies machen.“ Sogar die Adoption ist sehr schwierig. Der Song entstand also aus Frustration darüber, dass es so ein Kraftakt ist, egal ob es darum geht, einen Samenspender zu finden oder das Geld für eine Samenbank aufzutreiben. Wir wollten, dass der Song zu einer Art Hymne für diese neue queere Community wird, die Familien gründen will. Darum ist der Song Pop, Fun und Disco und in dem Vocal „I’m gonna fuck my best to get a little tiny baby“ und „I’m gonna fuck my friends…“ ging es wirklich darum, es einfach zu halten und trotzdem über wirkliche Probleme und eale Handlungsmöglichkeiten zu sprechen. Deswegen sind die zwei Strophen auch so verschieden: in der ersten geht es darum, sich ein Baby zu wünschen und in der zweiten mit damit verbundenen größeren Problemen. Wollen wir wirklich die Welt überbevölkern? Wollen wir wirklich Kinder in einer alles andere als perfekten Welt aufziehen? Aber ich denke, dass es in unserer Musik um unsere Gefühle zu Politik geht. Mehr als für eine bestimmte Idee zu  predigen oder zu belehren wollen, spricht der Song uns unsere persönlichen Überzeugungen zu diesem Thema an.

MEN

Ich habe auf der Christina Aguilera Seite festgestellt, dass es ein Track auf das Album geschafft, den du und Le Tigre mit ihr gemacht haben. Kannst du uns irgendetwas über den Song und dessen Entstehungsprozess erzählen und sorgar vielleicht ein paar Töne singen? (lacht)

(lacht) Kann ich nicht machen – es ist aber absolut illegal. Aber es war eigentlich ein echt cooler Entstehungsprozess. Ich, Johanna und Kathleen arbeiteten an dem Track in gewisser Weise getrennt und schickten einander Ideen. Dann trafen wir uns in Manhattan und redeten darüber welche Möglichkeiten wir Christina geben würden. Danach gingen Johanna und ich nach L.A. und verbrachten eine Woche mit Christina und arbeiteten an zwei Stücken. Eines davon wird auf der Platte zu hören sein. Wir sind wirklich aufgeregt. Es war toll mit ihr zusammen zu arbeiten. Sie ist wirklich herausragend. Sie ist eine unglaubliche Musikerin, Produzentin, Sängerin und wir waren sehr angenehm überrascht, wie einfach und wundervoll es war, mit ihr zu arbeiten. Auch wie professionell und feministisch sie ist.

In einem früheren Interview habt ihr sie zusammen mit Beyonce, Beth Ditto, Amanda Blank und Peaches als Frau angeführt, die die Musikindustrie vorangebracht haben. Nun habe ich mal einen kritischen Blick auf Amanda Blanks MySpace-Präsenz geworfen und festgestellt, dass das gesamte Team hinter ihr, angefangen von ihren Producern bis zum Management und Booking männlich ist.Wie können wir sicher sein, dass Frauen in ihrer Vision nicht Zugeständnisse machen, wenn sie von einer durch Männern dominierten Industrie abhängen?

Ich denke, einer der Gründe, warum ich sie ausgewählt habe, war, dass ich persönlich kenne und mir auch ihre Herkunft aus der der Punk-Rock-Welt bekannt ist. Sie hat sehr oft mit anderen Frauen zusammen gearbeitet und auch mit anderen, queeren Personen. Das ist einer der Gründe, warum es so großartig ist, dass sie erfolgreich ist und sich nach vorne kämpft.

Ich denke, in einigen Fällen ist Geschlechtertrennung wirklich interessant und wichtig. Aber in dieser spezifischen Situation ist es Amandas Ziel es mit den politischen Überzeugungen – als Feministin – in den Mainstream zu schaffen. Ob das nun so unmittelbar auf ihrer MySpace-Seite rüberkommt, kann angezweifelt werden. Aber ich denke, Männer in den Prozess, um dahin zu gelangen, einzubinden, ist berechtigt.

Ich hatte nicht vor, an Amanda Blank im Einzelnen rumzunörgeln. Es war nur eine Person, die Du erwähnt hattest.

Ja, und ich möchte nicht an Peaches auf die gleiche Weise rummeckern, aber sie hat auch gerade ein Album ausschließlich mit Männern gemacht. Ich denke also mal, dass beide da ähnlich vorgehen.

Jetzt mal zu einem anderen Thema. Kannst du irgendwas über das Album von MEN erzählen? Ist das gerade in Planung?

Ja, wir haben gerade die Aufnahmen abgeschlossen. Wir haben zwölf Tracks. Jetzt suchen wir gerade den richtigen Toningenieur zum Abmischen und das richtige Label. Offensichtlich ist die Musikindustrie ein seltsamer Ort, daher war es interessant für uns zu sehen, was es da draußen gibt und dann zu entscheiden, ob es sinnvoll ist sie auf einem Label zu haben oder die Platte selbst herauszubringen. Wir versuchen einfallsreich zu sein und alle unsere Möglichkeiten abzuchecken. Bedauerlicherweise dauert es etwas länger als erwartet, aber hoffentlich wird diesen Platte diesen Herbst rauskommen.

MEN

Etwas anderes, das ich interessant fand: die New Yorker Universitätsbibliothek hat kürzlich einige Magazine aus der persönlichen Sammlung deiner Le Tigre-Bandkollegin Kathleen Hanna erstanden. Ich glaube, es ist wirklich cool, dass es im akademischen Milieu wahrgenommen wird. Aber ich habe mich auch gefragt, ob ihr nicht Befürchtungen habt im Universitätsmilieu stecken zu bleiben. Es ist etwas isoliert und erreicht nicht wirklich ein Massenpublikum. Was muss man tun, damit die politische Botschaft auch beim Durchschnittsmenschen ankommt?

Es hat eigentlich weniger mit dem akademischen Milieu zu tun, als mit Geschichtsschreibung und der Idee der Archivierung. Alles, was eine ungesicherte Existenz hat (Wieviel hat es wirklich bedeutet? Was hat es wirklich bewirkt?); alles, was nicht die Öffentlichkeit gehabt hat, die es zu seiner Zeit haben sollte, hat es verdient archiviert zu werden – an einem Ort, wo es sich die Menschen wirklich anschauen und sich ihr eigenes Urteil bilden können. Und das ist der Grund, warum ich das Riot Grrrl-Archiv wirklich wichtig finde. Eine Sache, über die man sich allerdings Gedanken machen sollte, ist, was alles rein kommt. Nur Magazine? Nur Videos von Shows der betreffenden Bands? Werden Queercore-Bands vorgestellt? Das sind alles gute Fragen. Aber ich denke, die Person, die in der Bibliothek verantwortlich ist, macht einen wirklich guten Job, da sie auch selbst Teil der Riot Grrrl-Bewegung war.

Gibt es irgendetwas, dass Ihr Berlin vorausschauend auf Eure Show sagen wollt?

Wir haben einige unserer Songs aufpoliert, waren seit letztem Jahr sehr viel auf Tour und können es kaum erwarten, zu zeigen, was wir drauf haben.

Les femmes s’en mêlant mit MEN, Human Toys & Cat N’Guyen

20. April 2010 / Festsaal Kreuzberg, Skalitzer Straße 130, Berlin-Kreuzberg, U-Bahn: Kottbusser Tor

Wir verlosen 2×2 Tickets für Les femmes s’en mêlant am 20.4.!

Klicke hier, um mit dem Kennwort “SCHNURRBART” an der Verlosung teilzunehmen. Einsendeschluss ist am 20.4.2010, 15h.