R.Kitt fordert mehr Raum für Clubkultur

R.Kitt macht House, der eine tiefe emotionale Botschaft vermitteln möchte, aber dich trotzdem in Bewegung setzt. Seine Produktionen sind komplex, aber nicht zu verkopft und haben deutliche Anleihen auf die klassischen Sounds alter Chicago-House-Produktionen. In seiner Musik geht es um zwei Dinge: Emotionen und Tanz. Auf dem Other Voices Festival haben wir uns mit dem Produzenten und DJ aus Dublin getroffen, um mit ihm über die Clubszene in Dublin zu reden.

Du machst eher Chicao-inspirierte House-Musik. Was fasziniert dich noch immer an diesem Sound?

Seine eigene Musik in eine Schublade zu packen ist nicht einfach, aber ja: Ich bin definitiv von Chicago und Detroit inspiriert. Leute wie Larry Heard, aber auch die zweite Welle mit Kenny Larkin haben mich sehr geprägt. Eigentlich wurde ich in meinen Anfängen sogar eher von französischen Produktionen beeinflusst. Ich kann mich noch erinnern als Daft Punk das Album „Homework“ veröffentlichte. Darauf war ein Track, „Teachers“, welche sie ihren alten Idole gewidmet hatten. Ich ging den Song durch und habe daraufhin all die Namen, die in dem Lied vorkamen rausgeschrieben und dann geguckt, wer diese Leute waren und was für Musik sie gemacht haben. So habe ich die Chicago und Detroit House und Techno-Szene für mich entdeckt.

Wann hast du mit dem DJing begonnen?

Zum DJing bin ich relativ spät gekommen. Eigentlich habe ich als Produzent angefangen und davor noch erste Erfahrungen mit meinem Elektropop-Projekt gesammelt, welches ich gemeinsam mit meinem Bruder gemacht habe. Daher war die Vorstellung für mich auch erstmal komisch, alleine auf einer Bühne oder im Rampenlicht zu stehen. Es hat etwas gebraucht, bis ich das Selbstvertrauen hatte, diesen Schritt zu gehen. Deshalb bin ich erst seit ungefähr 6 Jahren alleine als DJ unterwegs.

Wie ist die Clubszene in Irland?

Sowas wie eine ‚deepe‘ Clubszene oder eine Clubkult ähnlich der in Berlin gibt es hier nicht. Zudem fehlt es an Zusammenschluss lokaler Akteure. In Dublin ist es noch immer so, dass man lieber DJs von außerhalb bucht als die eigenen Leute spielen zu lassen. Diese Tatsache hat mich dazu gebracht gemeinsam mit ein paar anderen Leuten eine eigene Veranstaltungsreihe zu machen, welche bewusst DJs aus Dublin bucht und ihnen eine Bühne bietet. Die Partyreihe heißt „Dip“ und es gibt sie bis heute. Dort habe ich dann auch meine ersten Gehversuche als DJ gewagt und mich ausprobiert.

Jeder scheint die Clubszene in Berlin zu lieben. Einer der bekanntesten Filme über die Feierszene der Hauptstadt ist „Berlin Callin“ und euer Pendant heißt „Dublin Oldschool“. Ist die Dubliner Szene wirklich so wie in diesem Film gezeigt?

Ich habe viel über den Film gehört, aber ihn selbst noch nicht gesehen, denn er ist noch relativ neu. Ich weiss allerdings, dass einige Akteure des Nachtlebens in Dublin an diesem Film mitgewirkt haben. Ich gehe deshalb mal davon aus, dass die Story nicht ganz aus dem Blauen heraus entstanden ist. Ist natürlich schwer zu beurteilen ohne den Film gesehen zu haben, doch zumindest die Mitwirkenden wissen, wie das Clubleben der Stadt wirklich aussieht und könnten es gut wiedergegeben haben.

Welche Drogen prägen denn die Szene in Dublin derzeit?

Klar spielen Drogen auf Partys auch bei uns eine Rolle, aber welche Drogen prägend sind ist schwer zu sagen. Ich selbst rauche nur Marihuana, aber eine Drogenkultur gibt es doch überall, wenn es ums Feiern geht – ob einem das jetzt gefällt oder nicht. Ich finde auch nicht, dass man das verurteilen sollte. Man sollte eher aufklären und zum verantwortungsvollen Umgang mit Betäubungsmitteln animieren. Ich will das jetzt nicht schön reden, aber Drogen haben ja auch einen Nutzen, sonst würde sie ja niemand nehmen. Die Leute nutzen Drogen um den Kopf abzuschalten und sich nicht zu überlegen wie sie tanzen oder was andere Leute vielleicht von ihnen denken könnten. Ich denke aber nicht, dass es „die eine Droge“ gibt, die typisch für Dublin ist.

In Berlin haben wir ein echtes Problem mit Clubsterben in Zusammenhang mit fortschreitender Gentrifizierung.  Gibt es solche Probleme auch in Dublin?

Definitiv! Wir haben kaum noch Raum für Clubkultur. Im Januar wird der einzige Club schließen, der mehr als 1000 Leute fassen konnte. Von den Mieten abgesehen sind auch die Lebensunterhaltskosten für Künstler kaum zu stemmen. Viele wandern aus – aber nicht nur die Musiker, auch die Schriftsteller, Tänzer, Kreative aller Art. Eine weitere Sache, die das Clubsterben in Irland fördert, ist die Lizenzierung. Wir dürfen in Dublin gesetzlich nur bis 1:30 Uhr öffnen. Wer ein bisschen länger auflassen möchte, der braucht eine Sondererlaubnis und die kostet über 400 Euro pro Nacht. Diese Sondererlaubnis braucht man zusätzlich zu all den anderen Lizenzen wie der Alkohol- und Tanzlizenz. Diese Kosten kommen dann zu den ohnehin schon hohen Betriebskosten und der Miete. Stell dir also vor, du bist ein kleiner Club der nur 150 Leute fasst und du möchtest gerne 2 Stunden länger öffnen. Wie viele Drinks müsstest du realistisch verkaufen, damit die Veranstaltung wenigstens einigermaßen kostendeckend über die Bühne geht? Seit ca. 10 Jahren beobachten wir, wie nacheinander alle kleinen Clubs schließen. Ich engagiere mich deshalb im Rahmen der Give Us The Night Initiative, welche bereits vor 14 Jahren von Sunil Sharp initiiert wurde, um dem Clubsterben etwas entgegenzusetzen. Wir müssen vor allem den Politikern klar machen, dass sie mit der Lizenzierung einen ganzen Wirtschaftszweig zerstören. In Irland sind die Leute sehr konservativ und deshalb leider nicht unbedingt offen für neue Ideen. Wir müssen diesen Leuten also aufzeigen, dass am Ende jeder von einer Umstrukturierungen im Nachtleben profitiert. Die Nachfrage ist auf jeden Fall da! Das Publikum ist bereit für eine lebendige Clubkultur wie der in Berlin. Vielleicht wäre das Nachtleben dann irgendwann sogar ein Tourismus fördernder Faktor für Dublin? Ich habe mir schon angeguckt, welch gute Arbeit die Clubcommission in Berlin leistet. Sowas bräuchten wir auch in Dublin.

Was bedeutet es für dich Teil von „Other Voices“ zu sein?

Mir bedeutet es viel, denn ich bewundere die Arbeit, die das OV-Team hier leistet. Sie schaffen es die Musiklandschaft Irlands repräsentativ abzubilden und sind bei ihrem Booking stets offen für neue Trends. Dabei geben sie auch talentierten Newcomern eine Bühne und die Chance gesehen zu werden. Letztes Jahr war ich als Techno- oder Elektroact noch relativ alleine hier, aber das sieht in diesem Jahr schon anders aus. Die Veranstalter sind offener für neue Einflüsse als ich das von anderen Festivalformaten kenne. Dazu kommt natürlich der idyllische Veranstaltungsort, denn Dingle und die atemberaubende Umgebung von Kerry hat schon etwas sehr Tiefenentspanntes und ist eine willkommene Abwechslung zum Stadtleben in Dublin.