Eigentlich gab es die ersten Rap-Acts in Irland bereits seit Anfang der 1990er Jahre. Wer beim Stichwort „irischer Hip-Hop“ trotzdem nur an „House of Pain“ denkt, der sollte einen Blick auf die Szene der Insel werfen, die derzeit einiges bietet. Künstler wie Kojaque halten dem internationalen Vergleich stand und zeigen, dass sie nicht ‚irischen Hip-Hop‘ sondern ‚guten Hip-Hop‘ machen.
Auf dem Other Voices Festival in Dingle sprachen wir mit Kevin Smith aka. Kojaque . Kevin wuchs in Cabra auf und besuchte in Dublin die School of Creative Arts. Er versteht sich als Dichter und Filmemacher, wohingegen sein Alter-Ego Kojaque seit einiger Zeit zu den angesagtesten Rapper und Produzenten Irlands zählt. Im Interview spricht der Labelchef von Soft Boy Records über die irische Hip-Hop-Kultur und was es bedeutet in Irland hauptberuflich Musiker zu sein.
Wie fühlst du dich?
Ich bin um ehrlich zu sein etwas müde, da wir heute erst am frühen Morgen aus Manchester gekommen sind, wo wir unsere Tour beendet haben. Das war die erste Tour bei der wir auch in Bristol, Manchester und London spielten. Das war echt gut, aber eben auch anstrengend.
Ich weiss wenig über die irische Hip-Hop-Szene. Kannst du mir bitte eine kurze Einführung geben?
Ja, klar. Im Moment machen wirklich viele Leute Musik – vor allem Hip-Hop. Rejjie Snow ist wahrscheinlich eine der bekanntesten Acts. Jafaris ist wirklich gut und ich persönlich mag natürlich Luka Palm, mit dem ich selbst zusammenarbeite. Tatsächlich gibt es viele gute Leute, die seit Jahren gute Sachen machen, aber eben erst jetzt an Popularität gewinnen. Ich denke, Hip-Hop ist grade ziemlich am kommen.
Ich habe gelesen, dass du dich zu Beginn deiner Karriere wegen deines Dublin-Akzents geschämt hast? Warum?
Nun, ich nehme an… Ich selbst habe nicht wirklich viel Hip-Hop mit Akzent gehört. Viele Leute hier in Irland setzen einen amerikanische Akzente auf. Wahrscheinlich weil Amerika eben der Ort ist, den man mit Hip-Hop-Kultur verbindet. Rappen mit amerikanischen Akzent fühlt sich scheinbar für viele „richtig“ an. Das jemand mit Dublin-Akzent rappt, das kannte ich so gar nicht. Dinge anders zu machen als bisher üblich verunsichert einen irgendwie – new shit is always scary.
Mir ist der Mangel an Frauen im irischen Rap aufgefallen. Die Rap-Szene hier scheint mir ein ziemlicher Männerverein zu sein. Kennst du vielversprechende weibliche MCs aus Irland?
Puhh. Lass mich überlegen. Um ehrlich zu sein, nein. Ich kann dir einige wirklich gute Sängerinnen nennen, aber die machen keinen Rap. Sie singen. Also sie machen eher R’nB-Musik oder Neo-Soul und so. Weshalb das so ist, weiss ich gar nicht. Da kann ich jetzt gar nicht so viel zu sagen, aber vielleicht wird sich das zukünftig ändern?
Okay, lass uns mehr über dich und deine Arbeit sprechen. Weshalb hast du dir ein Alter-Ego geschaffen?
Du hast eingangs selbst gesagt, dass Kevin Smith der Dichter und Filmemacher oder bildende Künstler ist und Kojaque eben der Rapper und Produzent – das trifft es wirklich ziemlich genau. Für mich ist es manchmal einfacher, aus Kojaques Perspektive Dinge zu erkunden oder mich mit einem Thema auseinanderzusetzen. Man ist dann emotional nicht so verbunden und hat einen angenehmen Abstand. Machmal ist es einfach einfacher für mich, wenn ich aus mir heraustreten kann – zum Beispiel wenn ich auf die Bühne gehe. Gelegentlich finde ich es noch immer schräg auf einer Bühne vor einem Haufen fremder Leuten aufzutreten. Manchmal fühlt sich das an, als würde ich schauspielern.
Kojaque gilt als ’soft boy‘, was durchaus Sinn macht, denn er ist der Label-Chef von Soft Boy Records. Ist Kevin auch ein ’soft boy‘?
Ja. … Ja!
In deinen Texte setzt du dich mit der Definition von Männlichkeit und Geschlechterrollen auseinander? Ist das so richtig?
Ich glaube eigentlich nicht, dass man das so sagen kann. Das ist wirklich nicht alles worüber ich schreibe. Ehrlich gesagt ändern sich meine Texte mit meiner Stimmung. Meine Gefühlslage bestimmt, worüber ich schreibe. Manchmal ist das auch nur vom Beat inspiriert. Aber manchmal setze ich mich auch einfach hin und schreibe. Auf dieses Männer- und Rollending werde ich wirklich häufig angesprochen. Es spielt fast in jedes Interview mit rein und ich weiß nicht so richtig weshalb. Ich finde wirklich nicht, dass dies das Oberthema meiner Arbeit ist. Ich habe eine Vermutung, weshalb das jeder denkt: In einem meiner ersten Interviews sprachen wir auch über meine Kunstpraxis, die sich damals um die Themen Männlichkeit und männliche Identität drehten. Seither zieht sich das durch alle anderen Interviews. Natürlich setze ich mich in einigen meiner Songs damit auseinander, aber für mich ist das nicht unbedingt etwas, was meine Musik ausmacht.
Über dein aktuelles Album „Deli Daydreams“ habe ich gelesen es sei die „dringend benötigte Qualitätsinfusion für die irische Musikszene“. Glaubst du, dass es der irischen Musikszene an Qualität mangelt?
Ob es ihr an Qualität mangelt kann ich nicht sagen, aber wir haben hier schon einige Probleme. Meiner Meinung nach gibt es hier keine wirklich gute Infrastruktur für Musiker, wie es sie zum Beispiel in Großbritannien gibt. Es ist schwierig hauptberuflich als Musiker zu arbeiten. Es gibt kaum Fördermöglichkeit oder Plattformen. Dieser Mangel war dann auch einer der Gründe, weshalb wir unser eigenes Label gegründeten. Kean Kavanagh und ich haben damals bemerkt, dass es schon viele gute irische Künstler gibt, sie waren nur kaum sichtbar. Trotz Talent und Output gab es eben keine Plattform für sie – nicht auf professionellem Niveau. Mir ging es damals ja ähnlich, denn auch ich habe kein Label gefunden, von dem ich mich gut repräsentiert gefühlt hätte. Ich und Kean füllen also jetzt diese Nische. Wir möchten einfach Künstler und ihre Musik fördern, die wir wirklich gut finden. Derzeit haben wir neun Künstler auf Soft Boy Records und darauf sind wir echt stolz.
Du spielst dieses Wochenende in Dingle. Was ist das Besondere am ‚Other Voices ‚ Festival für dich?
Ich selbst gucke „Other Voices“ seit vielen Jahren. Ich sah Amy Winehouse in der Kirche spielen und einige andere Künstler, die ich sehr bewundere. Ich glaube, ich habe SBTRKT zum ersten Mal in der Konzertreihe gesehen. Also wirklich – ich verfolge „Other Voices“ schon seit meiner Kindheit … Meine Mutter kommt extra her, um mich hier zu sehen. Ich freue mich wirklich wahnsinnig, hier spielen zu dürfen.
Was war dein Highlight 2018?
Das Album rauszubringen war schon echt ein Highlight. Weisst du, man stellt sich sowas so locker vor, aber am Ende ist es wahnsinnig viel Arbeit. Wenn dir die Idee kommt ein Album zu machen, dann denkst du: „Ja klar! Gute Idee!“, aber dann ist es eben doch nicht so einfach das Ganze zu beenden. All die nervigen Teile der Arbeit wie Mischen und Mastering, auf die man wenig Lust hat. Einige der Lieder auf dem Album waren bereits zwei oder vielleicht sogar schon drei Jahre als. Es gehört also wirklich zu den besten Dingen in diesem Jahr, dass ich das zu einem Ende gebracht habe.